Umschlag

Sunil Mann

Familienpoker

Kriminalroman

Der Autor

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Er ist als Flugbegleiter tätig, ein Job, der ihm genügend Zeit zum Schreiben lässt. Viele seiner Kurzgeschichten wurden ausgezeichnet. Mit seinem Romandebüt Fangschuss, dem ersten Krimi mit Vijay Kumar, gewann er den Zürcher Krimipreis 2010. Seitdem sind mit Lichterfest und Uferwechsel zwei weitere humorvoll-spannende Fälle für den indisch-stämmigen Privatdetektiv erschienen.

www.sunilmann.ch

Für meine Mütter

Inhalt

Prolog

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Dienstag

Epilog

Glossar

Prolog

»Wach auf!«, flüsterte ich und richtete mich geräuschlos auf. Ein leises Plätschern hatte mich geweckt, doch als ich jetzt angestrengt in die Dunkelheit der Scheune starrte, war außer dem sanften Rauschen der Tannen kein Laut zu vernehmen. In der Ferne schrie zweimal ein Käuzchen, ansonsten herrschte eine absolute Stille, wie sie nur hier in den Bergen vorkam.

Im Gegensatz zum Vorabend, als der Vollmond die Alp beschienen und der Wind sporadisch das friedliche Bimmeln der Kuhglocken vom Stall herübergeweht hatte, schien die Atmosphäre jetzt mit etwas Bedrohlichem geladen, mit einem geradezu greifbaren Unheil – als Privatdetektiv hatte ich das im Gespür.

Ich startete einen erneuten Weckversuch, als sich aber der Lockenschopf neben mir immer noch nicht regte, öffnete ich den Reißverschluss meines Schlafsacks, streckte den Arm nach Mirandas Schulter aus und rüttelte sie kräftig.

»He! Aufwachen!«, zischte ich eindringlich, worauf sich meine transsexuelle Freundin nur unwillig knurrend in die Wolldecken schmiegte, die sie wie ein Nest um und über sich drapiert hatte, und wenig damenhaft weiterschnarchte.

Wie gewohnt hatte Miranda gestern Abend beim Nachschenken alle Warnungen ignoriert und sich mit selbst gebranntem Enzianschnaps systematisch in ein Koma befördert, aus dem sie aufzuwecken mir wohl nicht ohne Weiteres gelingen würde.

Ich schlüpfte aus dem olivgrünen Militärschlafsack und stellte angewidert fest, dass sein muffiger Geruch, der an verschwitzte Wandersocken und feuchte Kellergewölbe erinnerte, nun an mir klebte. Der Mief der Schweizer Armee.

Wankend erhob ich mich und versank schon beim ersten Schritt bis zu den Waden im Heuhaufen, auf dem wir behelfsmäßig unser Nachtlager errichtet hatten. Ich stapfte um Miranda herum und erkannte im Dunkeln schemenhaft den Schlafsack neben ihr – er war aufgeschlagen und leer. Mein ungutes Gefühl verstärkte sich.

Am Rand des Heustocks schwang ich mich auf die angelehnte Leiter und stieg leise die Sprossen hinunter. Das Scheunentor stand etwas offen, hell schimmernd beschien ein schmaler Streifen Mondlicht die aufeinandergestapelten Strohballen an der Wand. Ich war mir absolut sicher, dass ich das Tor vor dem Zubettgehen geschlossen und den Riegel von innen vorgeschoben hatte.

Jetzt bereute ich, nicht in Jeans und Schuhe geschlüpft zu sein, barfuß und nur mit Boxershorts bekleidet, fühlte ich mich ungeschützt und verwundbar. Ich machte mich daran, die Leiter wieder hochzuklettern, als ich ein Flüstern vernahm. Mit angehaltenem Atem horchte ich genauer hin: Von draußen waren gepresste Stimmen zu hören, knappe Sätze, in verschwörerischem Befehlston geraunt. Instinktiv duckte ich mich, schlich zur Scheunenwand und spähte durch einen Spalt in der Holzwand ins Freie.

Was ich dort sah, versetzte mich in Panik. Das hatte also das Plätschern verursacht, das mich geweckt hatte. Im nächsten Moment stach mir ein durchdringender Geruch in die Nase. Erschrocken wich ich zurück und streifte dabei mit einem Arm die Heugabel, die an der Wand neben mir lehnte. Ich fuhr herum und versuchte, sie festzuhalten – zu spät. Wie gelähmt sah ich das Werkzeug fallen und zog unwillkürlich den Kopf ein, als der Gabelstiel auf den festgetretenen Erdboden knallte.

Draußen verstummten die Stimmen abrupt.

»Hast du das gehört?«, wisperte jemand nach einer Schrecksekunde.

Die Antwort bestand aus einem gleichgültigen Brummen.

»Das ist einer von denen!«

»Und wenn schon«, gab der andere grimmig zurück. »In wenigen Augenblicken spielt das eh keine Rolle mehr.«

Er lachte auf und ein metallisches Klicken ertönte. Auf der Stelle rannte ich los, doch kurz bevor ich die Leiter erreichte, rutschte ich auf einem Büschel Stroh aus und fiel hin. Ein greller Schmerz durchzuckte mein Knie, aber wenn ich soeben wirklich ein Feuerzeug gehört hatte, blieb mir nicht einmal Zeit zu fluchen. Ich biss die Zähne zusammen, rappelte mich auf und hetzte die Sprossen hoch.

»Wach auf!«, schrie ich Miranda ins Ohr und schüttelte sie. »Verdammt, wach auf!«

Schlaftrunken öffnete sie die Lider und setzte zu einer empörten Tirade an, als ein flackernder Schein ihre Gesichtszüge erhellte. Zeitgleich setzte in meinem Rücken ein rasch anschwellendes Prasseln ein.

Mein Blick flog zum Scheunentor. Es brannte bereits lichterloh, auch an der Frontseite des Holzverschlags züngelten Flammen hoch. Gleich würden die ersten Funken auf die gestapelten Strohballen hinter dem Tor hüpfen, von da war es nicht mehr weit bis zum Heuboden.

»Miranda! Schnell!« Ich riss sie am Arm hoch. Das Feuer breitete sich mit rasender Geschwindigkeit aus, das mürbe Holz der alten Scheune wirkte wie Zunder.

Irgendwo splitterte eine Glasscheibe und draußen grölten Männerstimmen. Die sengende Hitze verschlug mir den Atem.

Taumelnd tat meine offenbar immer noch mittelschwer beschwipste Freundin ein paar Schritte, um im nächsten Moment, als sie das Inferno um uns herum erfasst hatte, schrill aufzuschreien.

»Halt bloß die Klappe, deine Enzianfahne jagt hier sonst noch alles in die Luft!«, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während ich ohne Rücksicht auf das zerschundene Knie in meine Jeans schlüpfte. Dann zerrte ich Miranda, die wie paralysiert stehen geblieben war, hinter mir her zur Leiter.

»Vijay, wir müssen raus hier! Sofort!«, wimmerte sie.

»Ach, wirklich? Ich wollte zur Feier des Tages gerade ein Barbecue vorschlagen!«

Unsere Widersacher hatten ganze Arbeit geleistet und die Scheune von allen Seiten mit Benzin besprengt. Dunkle Rauchschwaden erschwerten die Sicht und trieben uns Tränen in die Augen.

Nach kurzem Zögern zog ich mein eben übergestreiftes T-Shirt wieder aus, zerriss es und bedeutete Miranda, sich den Stoff vor Mund und Nase zu pressen.

»Du benutzt immer noch Blue Water von Davidoff?«, rief sie fassungslos, doch ich ging nicht darauf ein. Gemeinsam stolperten wir bis zum Rand des Heubodens. Als ich mich nach Miranda umwandte, sah ich sie entsetzt nach Luft schnappen. Was wohl weniger mit meinem Eau de Toilette als mit der undurchdringlichen Feuerwand zu tun hatte, die sich ringsum erhob. Das offene Tor war unsere einzige Fluchtmöglichkeit.

»Komm!«

»Nicht ohne meine Handtasche!« Meinen ungehaltenen Einwand ignorierend, machte sie kehrt.

Fiebrig wartete ich auf Mirandas Rückkehr und schickte sie dann die Leiter hinunter.

Als ich ihr folgte und meinen Fuß auf die erste Sprosse stellte, war von oben ein widerwärtiges Knacken zu vernehmen. Ich blickte zum Dach hoch, das mittlerweile ebenfalls in Flammen stand, und registrierte eine Bewegung im Gebälk. Wie in Zeitlupe verschob sich ein dunkler Umriss hinter dem brodelnden Qualm, begleitet von einem abgrundtiefen, alles durchdringenden Ächzen.

»Pass auf!«, schrie ich Miranda hinterher, doch sie reagierte nicht. Hastig stieg ich ein Stück die Leiter hinab und sprang von der Mitte aus runter. Den gleißenden Schmerz in meinem Knie missachtend, humpelte ich meiner Freundin nach, die auf das Scheunentor zugehastet war. Ich erwischte sie am Handgelenk und riss sie so heftig zurück, dass wir beide zu Boden stürzten. Einen Wimpernschlag später krachte der Dachbalken funkensprühend in die Tiefe und zerbarst genau an der Stelle, wo Miranda eben noch gestanden hatte.

»Kopf runter!«

Massive Holzteile schleuderten durch die Scheune und eine glühende Hitzewelle jagte über uns hinweg. Die Luft war plötzlich erfüllt von einem heulenden Ton.

Wir warteten ab, bis das Getöse etwas abgeflaut war, bevor wir uns vorsichtig aufrichteten. Miranda ergriff sofort meinen Arm und klammerte sich hustend an mich, während ich bestürzt zum Scheunentor starrte: Ein Balkenstück, aus dem Flammen schlugen, blockierte den Ausgang. An ein Durchkommen war nicht zu denken.

Benommen sah ich mich um. Die Scheune hatte sich in null Komma nichts in eine tödliche Feuerhölle verwandelt, und ich wusste nur zu gut, dass es keinen anderen Fluchtweg gab.

Wir saßen in der Falle.

Mittwoch

»Zählen Sie bitte einige Ihrer Stärken auf!«

»Trinkfest, sarkastisch, zeitweise findig.«

»Äh … und Ihre Schwächen?«

»Amrut.«

»Wie bitte?«

»Mein indischer Lieblingswhisky.«

»Oh! Das kommt jetzt etwas … überraschend. Wie würden Ihre Freunde Sie beschreiben?«

»Vermutlich wortreich. Und kaum zusammenhängend.«

»Herr Kumar …«

»Nennen Sie mich Vijay.«

»Herr Kumar, weshalb haben Sie sich gerade für eine Stelle in unserer Firma entschieden?«

»Das war Kismat, Schicksal.«

»Wie meinen Sie das?«

»Nun, nachdem ich meinen beruflichen Werdegang eingegeben hatte, spuckte die Suchmaschine der Internetstellenbörse als einziges Resultat den Namen Ihres Ladens aus.«

»Tatsächlich? Wie bedauerlich.«

»Für mich war das ein Zeichen. Unter uns gesagt: Die geforderten Vorkenntnisse und Fähigkeiten in allen anderen Anzeigen schienen mir doch ziemlich unrealistisch.«

»Weshalb?«

»Weil Leute, die so perfekt ausgebildet und gleichzeitig einsatzfreudig, flexibel, belastbar, kostenbewusst, kommunikativ, zielorientiert und motiviert sind und darüber hinaus auch noch über Durchsetzungsvermögen und Teamfähigkeit verfügen, gar nicht existieren. Und wenn doch, sind sie meiner Erfahrung nach Arschlöcher.«

»…«

»Schwierig im Umgang, wollte ich sagen.«

»Was haben Sie in den letzten fünf Jahren gemacht?«

»Ein Detektivbüro eröffnet und ein paar Fälle gelöst. Davor ein wenig studiert, gereist und im indischen Lebensmittelgeschäft meiner Mutter ausgeholfen.«

»In einer leitenden Position?«

»Sie kennen meine Mutter nicht.«

»Wo sehen Sie sich in Zukunft?«

»Wenn es nach ihr ginge: im Kreis einer kinderreichen Familie.«

»Wieso sollten wir Ihnen die Stelle geben?«

»Ich bin jung und brauche das Geld. Dringend.«

»Haben Sie noch Fragen zum Betrieb oder Ihren Aufgaben?«

»Wann wird der Entscheid denn gefällt? Ich könnte Sie im Verlauf des Nachmittags telefonisch …«

»Bitte nicht! Wir werden uns zu gegebener Zeit bei Ihnen melden.«

Als ich wenig später in die Dienerstrasse einbog, hatte ich das Gefühl, mein erstes Bewerbungsgespräch seit Jahren sei ganz passabel verlaufen.

Ich wünschte einzig, das spontane Besäufnis am Vorabend hätte mein Gehirn nicht zu klebrigem Schlick verwandelt. Wahrscheinlich hätte ich dann die impertinenten Fragen der Personalchefin nicht so sanftmütig pariert. Denn heutzutage waren Kampfroboter auf dem Arbeitsmarkt gefragt – so viel war mir immerhin klar geworden –, keine einfühlsamen Philanthropen.

Ich parkte meinen hellblauen Käfer am Straßenrand und steuerte auf die Eingangstür des schäbigen Wohnblocks zu, in dem sich mein Apartment befand. In genialer Doppelnutzung war in denselben Räumlichkeiten auch mein Detektivbüro untergebracht, was wohl manchen nicht so gesetzestreuen Staatsbürger zu steuertechnischen Spitzfindigkeiten verleitet hätte. Mich leider nicht, denn ich hatte schlicht keine Ahnung, wie so etwas zu bewerkstelligen gewesen wäre.

Meine Kernkompetenz lag ganz woanders, nämlich im Lösen kniffliger Fälle. Selbst wenn ich in letzter Zeit ernsthaft daran zweifelte.

»Dein Briefkasten quillt über!«, rief jemand hinter mir, als ich umständlich den Hausschlüssel aus meiner Hosentasche kramte.

»Und?«, blaffte ich zurück, ohne mich umzudrehen.

»Der wurde seit mindestens einer Woche nicht mehr geleert!«, tönte es vorwurfsvoll weiter.

»Willst du mich jetzt beim Ordnungsamt anzeigen? Was geht dich das überhaupt an?« Ich wandte mich um und starrte in das blasierte Gesicht eines pausbäckigen Mädels, das an die Wand gelehnt unter dem Vordach stand. Sie sah aus, als hätten ihre Eltern sie mit Mettwurst großgezogen.

Missmutig suchte ich den Briefkastenschlüssel am Bund und nahm die Post heraus. Tatsächlich handelte es sich dabei um einen ungewöhnlich dicken Stapel, was meinen Unwillen, mich damit zu befassen, nur noch verstärkte.

»Zufrieden?«, knurrte ich, doch die junge Frau zuckte gleichgültig die Achseln. Ich bedachte sie mit einem giftigen Blick und schloss die Eingangstür auf.

Ich hatte gerade den ersten Treppenabsatz erreicht, als ich hinter mir schlurfende Schritte vernahm. In der flackernden Flurbeleuchtung wirkte ihr Gesicht noch blasser als draußen. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, Unsicherheit darin zu erkennen, doch im nächsten Moment schob das Mädchen trotzig die Unterlippe vor.

»Was willst du?«

»Zu dir.« Leise keuchend, aber mit entschlossener Miene stapfte sie die Stufen hoch.

Auch das noch!, dachte ich gereizt und ging wortlos weiter. Ich betrat meine Wohnung und ließ die Tür offen stehen. Mit der Selbstverständlichkeit einer zugelaufenen Katze folgte mir die Kleine.

Ich warf die Post auf den Schreibtisch, der zusammen mit dem abgewetzten Sofa und den beiden Sesseln die Basisinfrastruktur meines Büros bildete.

Mit kritischem Blick musterte das Mädchen die Einrichtung und rümpfte unmissverständlich die Nase, bevor sie sich in den Besuchersessel fallen ließ. Von wo aus sie Kaugummi kauend jede meiner Bewegungen mit einer Mischung aus Verachtung und Neugier verfolgte, als wäre ich ein sonderbares kleines Tierchen im Zoo.

Ich kümmerte mich nicht um sie und verschwand im Schlafzimmer, um die Krawatte abzulegen und den alten Anzug von H&M sorgfältig im Schlafzimmerschrank aufzuhängen. Das knitterige Hemd behielt ich an, schlüpfte in Jeans und kehrte zu meinem ungebetenen Gast zurück.

Das Mädchen war höchstens sechzehn. Ihr zu einem Bob geschnittenes, schwarzes Haar glänzte wie Klavierlack, derweil das eigentlich hübsche Gesicht leichenblass gepudert war. Zusammen mit den schwarz getuschten Wimpern und den brombeerfarbenen Lippen sah das aus, als wäre sie erst kürzlich einem Sarg entstiegen.

Zu anthrazitfarbenen Leggins trug sie schwere geschnürte Motorradstiefel und unter einem offenen schwarzen Jeansjäckchen eine Designerbluse, deren olivgrüner Stoff sich über Bauch und Brust spannte.

Obwohl die Sonne hell in mein Büro schien, lag ein düsterer Schatten auf ihrem Antlitz und hinter ihrer überheblichen Haltung verbarg sich etwas Dunkles, Schwermut oder Trauer vielleicht.

»Was führt dich zu mir?« Ich breitete auffordernd die Arme aus.

Abschätzend taxierte sie mich und sagte schließlich in bestimmendem Ton: »Finde mich!«

»Wie bitte?«

»Du sollst mich finden!«

Ich starrte sie an, während ich in Gedanken alle Erklärungsmöglichkeiten für diese hirnrissige Forderung durchging: Entweder war die junge Frau schizophren oder schwachsinnig, was mir angesichts ihres Vampirlooks am einleuchtendsten erschien. Vielleicht war sie aber auch von Freunden bezahlt worden, um mich zu verarschen. Der Racheakt einer Exfreundin. Der Berufsverband machte eine Qualitätskontrolle. Oder es handelte sich um einen Streich mit der versteckten Kamera, worüber später Millionen auf YouTube lachen würden.

Auf jeden Fall musste ich auf der Hut sein.

»Sorry, jetzt hab ich wohl die Pointe verpasst«, sagte ich vorsichtig.

»Das war ja auch kein Witz!«, erwiderte sie gehässig. »Ich will nur, dass du mich findest.«

»Gibt es denn eine Vermisstenmeldung?«

»Die gebe ich gerade auf.«

»Ist das ein Spiel?«

»Sehe ich aus wie ein Kind?«

»Ich glaube, du verarschst mich.«

»Und du nimmst mich nicht ernst.«

Ein durchaus diskussionswürdiges Argument. Ihr Anliegen war – milde ausgedrückt – absurd.

»Sag mir, was du wirklich willst.«

Sie verdrehte die Augen. »Welchen Teil von ›Finde mich‹ verstehst du nicht?« Offensichtlich ödeten mein mangelndes Verständnis und ich sie gerade voll krass an.

»Ich komm einfach nicht drauf, welche wichtige Information mir abgeht, aber in meiner Realität sitzt du gerade vor mir. Auf meinem Sessel. Ich sehe dich, ich höre dich, wenn ich wollte, würde ich dich sogar riechen und spüren. Was also soll der Scheiß?«

»Aber ich bin nicht ich!«

Ich strich mir mit der Hand übers Gesicht und versuchte, die Beherrschung nicht zu verlieren. »Sondern?«

»Jemand anders!«

»Wer denn?«

»Du bist der Schnüffler! Find es raus!«

»Was stimmt bloß nicht mit dir?«

»Dasselbe könnte ich dich fragen!«

Voller Abscheu kreuzten sich unsere Blicke, als unvermittelt ihr Handy zu klingeln begann. Ruckartig erhob sie sich und nahm den Anruf entgegen, während sie wie selbstverständlich durch mein Arbeitszimmer schlenderte und abwesend Dinge betatschte oder verrückte.

»Ja, voll! Megadoof!«, rief sie, verzog angeekelt das Gesicht, als sie ein seit geraumer Zeit herumstehendes Proseccoglas erblickte, und blieb am Fenster stehen. Unvermittelt stieß sie ein quietschendes Kichern aus, kaute an einem Fingernagel und legte den Kopf schief. Das betont erwachsene Getue von eben war wie weggewischt.

Ich nahm mir vor, später empört über ihr respektloses Verhalten mir gegenüber nachzudenken. Momentan gab es Wichtigeres: Soeben hatte ich nämlich die Whiskyflasche entdeckt, die immer noch auf meinem Schreibtisch stand, wo ich sie gestern Nacht zusammen mit einem benutzten Glas zurückgelassen hatte. Ich zog die Flasche zu mir hin, fischte mit dem Zeigefinger ein paar verendete Fruchtfliegen aus der Pfütze, die auf dem Grund des Tumblers schwappte, und schuf den Viechern ein Massengrab an der Tischkante, bevor ich mir eine tröstliche Ration Amrut einschenkte.

»Ein schöner Tod«, sagte ich zu mir selbst und setzte das Glas an. Wie Schmirgelpapier brannte das Gesöff durch Kehle und Eingeweide. Kaum hatte ich meinem Körper die ganzen vier Fingerbreit Whisky zugeführt, fühlte ich mich wesentlich besser.

»… und dann er so, ey sorry, und ich so: Fick dich, Mann! Und er so, wehe, wenn er den Imre erwischt, und dann mischt sich voll die Anja ein, total crazy, und ich so, was geht denn hier ab, und sie gleich so: Scheiße …«

Mit einem Mal kam ich mir uralt vor.

»Echt, hat er das voll über mich gesagt? Krass!« Ihre Stimme rutschte plötzlich eine halbe Oktave höher, doch so wie sie sich jetzt die Fingerspitze an die Lippen legte, sah sie eher wie ein ratloses Mädchen bei der Matheprüfung aus und weniger wie der verführerische Vamp, der sie wohl sein wollte. Sie drehte sich um und warf mir einen verklärten Blick zu.

Ich tippte demonstrativ auf meine imaginäre Armbanduhr und nachdem sie nochmals höchst umständlich durchgespielt hatte, wer wen wie wo weshalb megafies gedisst hatte, beendete sie den Anruf und ließ sich wieder in den Sessel mir gegenüber plumpsen.

Ich glotzte sie fassungslos an. Trotz meines Zustandes ließ ich mich nicht so leicht verarschen. Ich hatte die säuselnde Melodie des Weckdienstes zwar nur gedämpft gehört, aber ich war felsenfest überzeugt davon, dass da keiner am Telefon gewesen war. Ich fragte mich, was das Mädchen mit dem ganzen Theater bezweckte.

»Können wir?« Ich schenkte mir einen klitzekleinen Drink nach und schob das eben zugespielte Ass als späteren Trumpf in meinen Ärmel.

Meine potenzielle Klientin inspizierte einen Moment lang eingehend den abblätternden schwarzen Lack ihrer Fingernägel, bevor sie aufsah und mich verächtlich fixierte. Ungerührt fixierte ich zurück.

»Also nochmals von vorn: Du bist nicht du, sondern jemand anders.«

»Genau!«

»Ich komm immer noch nicht mit.«

Sie seufzte ungehalten, als sei ich schwer von Begriff. »Ich bin nicht diejenige, von der alle glauben, ich sei sie, also … Ich meine, ich bin eine andere, als die, die jetzt vor dir sitzt.«

»Ach so!« Multimedial vernetzt und jederzeit erreichbar, aber ein halbwegs sinnvoller Satz wurde heutzutage zur Mangelware.

»Ich weiß auch nicht, wie ich es erklären soll …«

»Versuchs trotzdem, meine Dankbarkeit wäre unendlich!«

Unschlüssig kaute sie auf ihrer Unterlippe herum, bevor sie tief Luft holte: »Manchmal denke ich, meine Eltern sind nicht meine Eltern.«

Dieser Gedanke war in der Pubertät wohl jedem schon mal gekommen, mich eingeschlossen. Aber nur so eine verzogene Tussi kam auf die Idee, deswegen gleich einen Ermittler einzuschalten.

»Und was führt dich zu der Annahme?«

»Meine Eltern und ich, da klickt nix. Anderer Planet. No connection, verstehst du?« Sie sah mich abwartend an, doch als ich nichts erwiderte, präzisierte sie: »Die sind so … so … krass anders.«

»Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?«

Sie machte eine vage Handbewegung, die alles Mögliche, aber auch nichts bedeuten mochte.

»Hör mir mal gut zu, Kindchen: So kommen wir nicht weiter.« Ich richtete mich auf und betonte jedes Wort, damit sie merkte, wie ernst es mir war. »Ich habe weder Zeit noch Nerven für irgendwelche idiotischen Teenieallürchen. Geh nach Hause und rede mit deinen Eltern oder red eben nicht mit ihnen, es ist mir ehrlich gesagt egal! Aber bei mir bist du fehl am Platz!«

Sie griff in die vordere Hosentasche und nestelte ein pralles Bündel Hundertfrankennoten hervor. »Nimm dir, so viel du brauchst.«

Mit abfälliger Miene warf sie mir das Geld über den Tisch hinweg zu.

›Wohlstandsverwahrlosung‹ war der Begriff, der mir spontan in den Sinn kam. Eine von ihren Eltern emotional – aber keineswegs pekuniär – vernachlässigte Göre, die sich dermaßen nach einem kleinen bisschen Aufmerksamkeit sehnte, dass ihr jedes Mittel recht war und sie nicht einmal vor einem verkaterten indischstämmigen Privatdetektiv haltmachte. Ich hatte nicht die geringste Lust, mich auf ihr Spiel einzulassen.

»Es ist nur so ein Gefühl, weißt du …«, setzte sie hinzu.

Ich stöhnte auf.

»Hallo? Ich mein ja nur, gell!«, fuhr sie mich an. Ich war überrascht, wie abrupt sie von einer Rolle in die andere schlüpfte. Von der Zicke zum Vamp, zur Lolita, zur Furie. Das musste mit der Spätpubertät und den verrücktspielenden Hormonen zusammenhängen. Kein Wunder wollten ihre Eltern nichts mehr mit ihr zu tun haben.

»Das ist ein voll konkreter Auftrag und wenn dir das nicht fein genug ist, geh ich zu einem anderen Schnüffler!«

»Dann tu das! Aber ich habe kein Interesse, vielen Dank!«

»Was?« Schlagartig hielt sie inne und fuhr sich irritiert durchs Haar.

»Welchen Teil von ›kein Interesse‹ verstehst du nicht«, äffte ich sie mit mädchenhafter Stimme nach. Es tat unglaublich gut.

»O Mann, aber echt jetzt! Ich hab hier den voll fetten Auftrag für dich!« Sie griff sich das Notenbündel vom Tisch und wedelte damit vor meiner Nase herum.

Dass sie davon ausging, mit Geld alles kaufen zu können, nahm ich ihr nicht übel, schließlich war das überall auf der Welt so – nicht nur in Zürich. Aber ihre überhebliche Göre-aus-reichem-Elternhaus-Haltung, mit der sie mir unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie Leute wie mich, mit Jobs wie meinem, in heruntergekommenen Wohnungen wie dieser grundsätzlich ihrer unwürdig hielt, war mir zutiefst zuwider.

Sie musste meinen Zorn bemerkt haben, denn als ich mich jetzt mühsam aus meinem Sessel hievte, sank sie in sich zusammen und guckte mir enttäuscht hinterher.

»Auf Wiedersehen!« Ich riss die Tür auf und wies mit einer bestimmten Handbewegung hinaus. Dabei hielt ich mich krampfhaft an der Klinke fest und hoffte, dass sie mein Schwanken nicht bemerkte.

»Aber …«, fiepte sie, doch ich blieb hart. Das Mädchen hatte nicht nur eine fragwürdige Haltung, sie trug darüber hinaus eine ganze Gucci-Handtasche voller Probleme mit sich herum. Der getürkte Anruf vorhin war mir Beweis genug. Sie brauchte nicht mich, sondern eine einfühlsame Lehrerin, verständnisvolle Eltern, die ihr zuhörten, oder wenigstens eine halbwegs dichte Freundin. Dass ihr wahrscheinlich nichts von alledem zur Verfügung stand, war wirklich nicht meine Schuld.

Wie ein geschlagener Hund erhob sich die Kleine und schleppte sich zur Tür. Als sie mich mit ihren großen, veilchenblauen Augen verzweifelt ansah, tat sie mir plötzlich leid. Doch ich war lang genug im Geschäft, um Ärger meilenweit gegen den Wind zu riechen. Und gerade jetzt müffelte es ziemlich in meinem Büro.

»Ich möchte doch nur wissen, wer ich bin«, wisperte sie halblaut. Mit hängenden Schultern schlurfte sie in den Korridor hinaus. Auf dem Treppenabsatz wandte sie sich noch einmal mit einem mitleiderregenden Augenaufschlag nach mir um und ich hatte plötzlich einen dicken Kloß im Hals. Sie mochte noch ein halbes Kind sein, aber auf der Klaviatur der Gefühle spielte sie bereits wie eine preisgekrönte Pianistin.

Ich schenkte mir einen weiteren Amrut ein und versuchte, das sonderbare Mädchen aus meinen Gedanken zu verbannen, indem ich meine hängigen Fälle durchging. Fünfzehn Sekunden später war ich fertig damit. Obwohl ich mich abmühte, möglichst viele Aufträge an Land zu ziehen, kam ich irgendwie auf keinen grünen Zweig. Anders als bei den Privatdetektiven in Romanen oder Fernsehserien, die sich vor aufregenden Missionen kaum retten konnten, verbrachte ich meinen Alltag größtenteils mit ›Obsen‹, wie man Observationen im Detektivjargon nannte. Das bedeutete stundenlanges Ausharren bei jeglicher Witterung, um das verdächtigte Objekt eines Vergehens zu überführen, sowie endlose Beschattungen von Zielpersonen, dazu kamen das penible Zusammentragen von Beweismaterialien und nicht selten langwierige Befragungen von Zeugen. Zeitweise war ich geradezu erschüttert, welch unfassbar langweilige Leben manche Leute führten.

Nur sehr selten wurde es wirklich spannend. Und noch seltener reihten sich die Engagements so nahtlos aneinander, dass ich von einem geregelten Einkommen hätte sprechen können.

Nicht allein aus diesem Grund hatte ich begonnen, mich nach einer beruflichen Alternative umzusehen, und dabei überrascht festgestellt, wie großzügig ein bisschen im Büro Rumsitzen entlohnt wurde. So im Vergleich.

Gegen halb zwei begab ich mich an die Badenerstrasse und setzte mich ins Forum. In den Zwanzigerjahren das größte Kino der Stadt, später ein Spielsalon und Schnellimbiss, war die Lokalität nun zu einer Bar mit durchgehenden Fensterfronten und pseudoheimeliger Holzvertäfelung umgebaut worden, the place to be für hippe Leute und solche, die es krampfhaft zu sein versuchten. Nicht unbedingt der Ort, an dem ich mir einen Feierabenddrink gegönnt hätte, dazu war mir alles zu Bling-Bling, aber weder war für mich Feierabend noch befand ich mich aus privaten Gründen hier.

Gegen einen Drink sprach jedoch nichts, bestand doch meine Aufgabe einzig darin, im Auftrag einer großen Zürcher Versicherung einen Mann namens Raphael Fontana zu observieren.

Raffi, wie er in der Szene genannt wurde, trug den obligaten Dreitagebart, war dunkelhaarig, gut aussehend für Leute mit schlichtem Geschmack, etwas über dreißig und das, was man im Schweizer Volksmund einen Filou nannte. Ein gegenüber üblichen moralischen Grundsätzen immunes Schlitzohr, wie ich den Begriff wohlwollend übersetzt hätte. Er war ein umschwärmtes Mitglied der Zürcher Jeunesse dorée, was nicht unwesentlich an seiner unermüdlichen Feierlaune lag und den von ihm geschmissenen Champagnerrunden. Kreise, in denen Freundschaften geschlossen wurden, während man sich gemeinsam mit einem zusammengerollten Hunderter im Nasenloch über einen Klodeckel beugte. Kreise auch, in denen das Ausüben einer geregelten Arbeit belächelt wurde und Charakter als maßlos überschätzt galt.

Die kursierenden Gerüchte bezüglich Raffis immenser Spielschulden und drohendem Bankrott wurden jeweils mit der standesüblichen Vehemenz dementiert, drei Klagen wegen sexueller Nötigung waren nach außergerichtlichen Einigungen fallen gelassen worden. Von seiner Familie drang kaum etwas an die Öffentlichkeit, es wurde aber gemunkelt, der Vater sei ein hohes Tier und finanziere den ausschweifenden Lebenswandel seines Sprösslings zähneknirschend mit.

Aus der Boulevardpresse wusste ich, dass Fontana in den letzten Jahren eine Handvoll Unfälle verursacht hatte, meist wegen Raserei oder Fahrens in betrunkenem Zustand. Laut meinen Unterlagen litt er an einem Schleudertrauma, doch es bestand der Verdacht, dass dieses nur vorgetäuscht war, um sich unrechtmäßig Versicherungsleistungen auszahlen zu lassen. Die Röntgenbilder taugten als Beweismaterial nichts, da auf ihnen diese Art von Verletzung normalerweise nicht ersichtlich war und manche Ärzte einem gut situierten Patienten lieber Arbeitsunfähigkeit attestierten, als ihn zu verlieren. Ich musste den jungen Mann auf andere Weise des Betrugs überführen.

Glücklicherweise war Raffi kein Frühaufsteher und seine Vorliebe, ganze Nächte in – für meinen Geschmack meist zu schicken – Bars und Klubs zu verbringen, kam meinem eigenen Lebensstil entgegen. Die Spesenabrechnung würde wohl für einiges Stirnrunzeln sorgen, andererseits verlangte man von mir ja ausdrücklich, dass ich Raffis Tagesabläufe lückenlos dokumentierte. Das forderte eine perfekte Camouflage.

Ich nippte also an meinem Gin Tonic, den ich als erfrischende Alternative zum üblichen Whisky bestellt hatte, und observierte vom Tresen aus.

Raphael Fontana hatte es sich mit zwei Damen, deren spektakulär kurze Designerkleidchen zusammen mit einem wenig subtilen Make-up missverständliche Signale bezüglich ihrer beruflichen Tätigkeit aussandten, auf einem der Sofas in der Nähe der Fensterfront bequem gemacht.

Wie immer wirkte der junge Mann fahrig, der Blick schweifte selbst im Gespräch unstet umher, seine linke Ferse stampfte dazu unablässig einen rasenden Technorhythmus. Als stünde Raffi unter Dauerstrom. Eine tägliche Ritalindosis hätte wohl Wunder bewirkt, doch angeblich war er eher aufputschenden Substanzen zugetan. Beweise, um diese Gerüchte zu untermauern, gab es bislang keine, doch ich wusste, dass die Boulevardpresse seit Monaten nach einschlägigen Fotos geiferte. Wahrscheinlich war jedoch nichts dran. Ich hatte den Mann in den letzten Wochen beinahe rund um die Uhr vor meiner Nase gehabt, dabei wäre mir garantiert aufgefallen, hätte er seine eigene in irgendwelche Pülverchen gesteckt. Mittlerweile war ich mit Raffis Tagesablauf ziemlich vertraut und machte in gewissen Abständen Fotos, um der Versicherung gegenüber meinen Arbeitsaufwand dokumentieren zu können.

Doch eigentlich war wenig Aufregendes an seinem Leben: spät aufstehen, ein paar Drinks mit hübscher Begleitung zur Mittagsstunde, danach ein paar Stunden Arbeit an seinem Laptop, gerne für jedermann sichtbar in der Öffentlichkeit. Was er beruflich genau machte, war mir nicht ganz klar. Gelang es mir hin und wieder, einen Blick auf seinen Bildschirm zu erhaschen, war er meist auf Facebook eingeloggt.

Später verschwand er für anderthalb Stunden im Fitnessstudio und machte sich anschließend in seiner Loftwohnung im Kreis 4 für das Diner mit vorherigem Apéro bereit, meist in einem angesagten Lokal, immer mit attraktiven, wenn auch wechselnden Damen. Kein Hinweis darauf, dass er an irgendeinem Gebrechen litt, allerdings sah ich ihn auch nie selbst etwas anheben oder schleppen. Und beim Sport wurde er von einem Privattrainer begleitet, der ein schonendes Muskelaufbauprogramm für ihn zusammengestellt hatte.

Bislang fehlten die eindeutigen Anzeichen für Betrug. Die Versicherung hatte sich wahrscheinlich geirrt. Angesichts meiner finanziellen Lage hatte ich jedoch beschlossen, meinen Befund erst in ein paar gut bezahlten Tagen zu melden. Wer – außer vielleicht Paris Hilton, als sie noch etwas hergab – wurde schon fürstlich dafür entlohnt, in Klubs rumzuhängen und Drinks in sich hineinzukippen?

Als hätte sie meine Gedanken gelesen, fragte mich in diesem Moment die Bedienung, ob ich noch ein Schlückchen vertrüge. Reflexartig antwortete ich mit einem Nicken. Während sich die Bardame, die aussah wie eine aus Heidi Klums Modelshow ausgeschiedene Kandidatin, um den G&T kümmerte, schoss ich mit einer handlichen Digitalkamera weitere Fotos von meiner Zielperson. Die Damen blickten teilnahmslos auf die Straße hinaus, während der junge Mann hektisch auf seinem Blackberry herumtippte. So sah es also aus, wenn Zürichs feine Gesellschaft Spaß hatte.

Da widmete ich mich lieber dem brandneuen Drink und grübelte dabei über meine finanzielle Situation nach. Trotz der zusätzlichen Einnahmen durch die leicht ausgedehnte Überwachung von Fontana blieb diese prekär.

Nicht, dass ich mir viel aus Geld machte. Schließlich war ich jahrelang mit wenig Zaster zurechtgekommen und wäre ich allein gewesen, hätte mich mein knappes Einkommen auch weiterhin kaum gestört. Der Haken war nur: Ich war nicht mehr allein.

»Hai rabba!«, hatte meine Mutter freudig ausgerufen, als Manju und ich endlich offiziell ein Paar geworden waren, und sich überschwänglich beim hinduistischen Liebesgott Kama bedankt, dem sie über Jahre hinweg unzählige Opfer erbracht hatte, ›damit er mit seinen fünf Blütenpfeilen endlich, endlich das bebende Liebesverlangen in unsere Herzen sende‹. Unzweifelhaft hatte der Zauber gewirkt, doch waren damit die Wünsche meiner Mutter natürlich noch längst nicht alle erfüllt. So war das mit indischen Müttern: Reichte man ihnen einen Finger, versuchten sie ihm sofort einen Ehering überzustreifen. Seither schwebte ihr Hochzeitswunsch wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf.

Andererseits sorgte meine Freundin selbst dafür, dass mich der Gedanke an eine dauerhafte und steuertechnisch geregelte Verbindung immer weniger schreckte. Was nicht nur mit Manjus Liebreiz zu tun hatte und dem Wissen, dass von all den Frauen, mit denen ich zusammen gewesen war, sie die einzige war, mit der ich mir diesen Schritt vorstellen konnte, sondern mit einer von ihr gestellten Auflage. Eine für mich wenig befriedigende Angelegenheit, die ich erst unwillig und verständnislos zur Kenntnis genommen hatte, die mir aber je länger, je deutlicher die weitreichenden Vorteile einer Ehe vor Augen führte.

Eigentlich wollte ich Manju ja nur glücklich machen. Sie sollte alles haben, was sie sich wünschte, das hatte ich mir an jenem Abend geschworen, als sie mich zum ersten Mal geküsst hatte. Richtig geküsst, meine ich.

Erst danach hatte ich im Gespräch mit Freunden herausgefunden, was sich eine Frau alles zu wünschen imstande war. Auf jeden Fall war dazu ein gesichertes Einkommen unabdingbar.

Ich lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf Raphael Fontana und seine beiden Begleiterinnen, die sich soeben wie auf Kommando erhoben hatten und dem Ausgang zustrebten. Mit einem Zug leerte ich meinen Gin Tonic, legte den geschuldeten Betrag auf den Tresen und steckte die Quittung ein. Dann folgte ich dem Trio in sicherem Abstand hinaus auf die Badenerstrasse. Die drei schienen es ziemlich eilig zu haben, sie bogen in die Langstrasse ein und marschierten dann die trotz fortschreitender Aufwertung immer noch verruchteste Meile Zürichs entlang.

Mit eingezogenem Kopf passierte ich den indischen Lebensmittelladen meiner Mutter beim Helvetiaplatz und atmete erleichtert auf, als ich sie beim Abräumen der Tische im hinteren Teil des Lokals ausmachte. Manju beugte sich derweil über die Abwaschmaschine und stapelte Geschirr hinein. Der Mittagsservice war gerade vorbei. Gut, dass die beiden so beschäftigt waren, eine überschwängliche und zeitraubende Begrüßung mit hundertprozentig folgender Einladung zum Essen war das Letzte, was man als Detektiv bei einer laufenden Überwachung brauchen konnte.

Irritiert beobachtete ich, wie Raffis Begleiterinnen, ohne sich zu verabschieden, das Café Casablanca betraten, derweil dieser beschleunigte und am Coop vorbeihastete, um wenig später in einer Seitenstraße zu verschwinden. Sie mussten sich zuvor abgesprochen haben, jeder schien genau zu wissen, was er zu tun hatte. Das roch nach einem abgekarteten Spiel.

Ich hatte Raffi nur einen minimalen Vorsprung gelassen, doch als ich um die Ecke lugte, war er wie vom Erdboden verschluckt. Blitzschnell checkte ich alle Hauseingänge ab, doch ich war so nah an ihm dran gewesen, dass ich einen rasselnden Schlüsselbund oder das Zuklappen einer Tür garantiert gehört hätte. Zudem verkehrte Raffi eigentlich nicht in solch abgehalfterten Wohnungen, wie sie hier zu finden waren.

Achtsam lief ich in die Straße hinein und nahm nach wenigen Metern eine Bewegung in einem Hinterhof wahr. Sofort drückte ich mich an die Wand und linste vorsichtig durch die tunnelähnliche Einfahrt.

Raffi lungerte vor der rückwärtigen Tür eines der schäbigen Wohnhäuser herum, die noch nicht dem Renovierungswahn in diesem Quartier zum Opfer gefallen waren. Er hatte mir den Rücken zugedreht und blickte immer wieder zu den oberen Stockwerken hinauf. Auf Zehenspitzen trat ich in den Durchgang, während ich gleichzeitig die Kamera aus meiner Umhängetasche nestelte. Drehte sich Raffi jetzt um, flog ich auf und konnte mir das Auftragshonorar ans Bein streichen. Zu meiner Erleichterung öffnete sich in diesem Augenblick die Hintertür und ein muskulöser Mann mit blondem Bürstenschnitt trat in einem glänzend blauen Trainingsanzug heraus. Per Handschlag begrüßte er Raffi.

Ich nutzte die günstige Gelegenheit, hastete die letzten Meter bis zum Ende der schattigen Einfahrt und duckte mich dort hinter einen nah am Haus stehenden Geländewagen. Ein schabendes Geräusch erklang, als meine Tasche an der Wand entlangstreifte. Mit angehaltenem Atem beobachtete ich durch die Seitenfenster des Offroaders, wie Raffis Fitnesstrainer – den ich sofort erkannt hatte – misstrauisch die Augen zusammenkniff und jeden Quadratmeter des Innenhofs rasterte. Ich rührte mich nicht. Erst als sich der Trainer wieder mit Raffi beschäftigte, rückte ich weiter hinter das Auto und streckte gleichzeitig die Hand mit der Kamera vor. Dank des Displays konnte ich so problemlos beobachten, was sich vor dem Hauseingang abspielte. Gerade übergab der Fitnesstrainer Raffi ein halbes Dutzend Plastiksäckchen und verschwand, nachdem er bezahlt worden war, sofort wieder im Haus. Ich drückte ein paar Mal ab, während sich Raffi unverzüglich aus einem der Beutel bediente und das weiße Pulver direkt von der Fingerspitze schnupfte. Jetzt wurde mir klar, wie er den Nachmittag mit den beiden Damen zu gestalten dachte.

Ich besah mir die gestochen scharfen Bilder und konnte mein Glück kaum fassen. Die Aufnahmen waren Gold wert. Gleich anschließend würde ich meinen besten Freund José anrufen, der als Journalist bei einem Gratisblatt arbeitete, und ihn fragen, wie viel der ungefähre Marktwert für Fotos von Raphael Fontana betrug, auf denen er am helllichten Tage kokste. Meine Geldsorgen war ich auf alle Fälle los. Nun dämmerte mir auch, wo Raffi normalerweise seinen Stoff kaufte: im Fitnessstudio bei seinem Privattrainer.

Obschon ich selbst Mitglied im Klub geworden war, um ihn während des Trainings beobachten zu können – ich sollte ja beweisen, dass er körperlich keineswegs beeinträchtigt war –, war es mir unmöglich gewesen, den beiden Typen jedes Mal bis in die Männergarderobe zu folgen, das wäre mit der Zeit doch aufgefallen. Der günstigste Moment, um unauffällig ein kleines Geschäft zu tätigen: Man lässt den Garderobenschrank offen stehen, wendet sich kurz ab, während der andere den Betrag reinlegt und gleichzeitig die Plastiktütchen an sich nimmt.

Dass er heute seinen Dealer zu Hause aufsuchte, musste mit seinen beiden Begleiterinnen zu tun haben, anders konnte ich mir nicht erklären, weshalb der sonst so vorsichtige Raffi jegliche Diskretion außer Acht ließ.

Plötzlich hob Raffi den Kopf, zog die Nase hoch und steuerte zielstrebig auf den Durchgang zu. Hastig bewegte ich mich rückwärts, dabei entglitt mir die Kamera und fiel mit einem hohlen Klackgeräusch auf den Asphalt. Ich erstarrte und horchte angespannt auf Schritte, doch alles blieb still.

Geräuschlos ließ ich mich aus meiner Kauerstellung auf die Knie nieder, schob die Kamera hinter den Vorderreifen des Geländewagens und guckte unter dem Auto hindurch. Nichts. Keine weißen Ferragamo-Sneakers mit hellbraunen Wildlederapplikationen. Zentimeter um Zentimeter kroch ich nach vorn, doch als ich das Geräusch aufsetzender Sohlen hörte, war es bereits zu spät. Eiskalt drückte sich der Lauf einer Pistole an meine Schläfe. Raffi musste sich zwischen zwei geparkten Wagen hochgestemmt haben.

»Die Kamera!«, blaffte Raphael Fontana. »Denkst wohl, du könntest mit den Fotos das große Geld machen, du Schmierfink?«

Nicht nur weil eine gegen den Kopf gehaltene Waffe freies Assoziieren beträchtlich einschränkt, fiel mir keine schlagfertige Antwort ein. Er hatte mich durchschaut. Wie es schien, hielt er mich aber für einen Journalisten. Das war zumindest ein Vorteil, wenn auch ein winziger.

»Aber ich hab keine Angst vor euch Pressefritzen, ihr könnt mir nichts! Oder seh ich etwa eingeschüchtert aus?«

Äußerst behutsam machte ich eine verneinende Kopfbewegung. Ich hatte immer angenommen, dass in einem Moment, in dem man um sein Leben bangt, die ganze Welt verstummt. Doch das stimmte nicht. Deutlich konnte ich das Zischen von Fett in einer Pfanne hören, das aus einem offenen Fenster ein paar Stockwerke über uns drang, fröhliches Kinderlachen an der Langstrasse vorn und eine Amsel oder sonst so ein verdammter Vogel zwitscherte, als gäbe es nichts Böses unter der Sonne. Der Welt war es scheißegal, ob man draufging oder nicht, sie drehte sich ungerührt weiter. Eine wenig tröstliche Erkenntnis, angesichts meiner momentanen Situation.

»Los! Gib mir die Kamera!« Fontana verstärkte den Druck des Pistolenlaufs auf meine Schläfe. Ich konnte das Zittern seiner Hand deutlich spüren.

»Ich habe keine Kamera«, log ich. Die darauf gespeicherten Bilder würden sogar einem Schwachkopf wie ihm auf der Stelle klarmachen, dass ich erstens kein Journalist und zweitens schon länger an ihm dran war. Was meine nähere Zukunft wohl eher ungemütlich gestalten würde.

»Hältst du mich für blöd?« Er tastete mich einhändig ab und als er nichts fand, riss er meine immer noch umgehängte Tasche auf und wühlte darin herum.

»Wo ist das verdammte Teil?« Raffi ließ die Tasche zurück auf meinen Rücken fallen und sah sich suchend um.

Entschlossen nutzte ich die Gelegenheit, sprang auf und versuchte, meinem Widersacher die Waffe aus der Hand zu schlagen. Dieser reagierte jedoch überraschend geistesgegenwärtig, was wohl mit dem eben geschnupften Koks zusammenhing, und hielt die Pistole mit eisernem Griff fest. Einen Moment lang rangelten wir keuchend um die Waffe. Körperlich war er keineswegs beeinträchtigt, wie ich jetzt endlich feststellen konnte. Aus der Nähe wirkte Raffis aus der Ferne ansprechendes Gesicht jedoch schmal, geradezu mausartig, seine Augen besaßen diesen verzehrenden Glanz des regelmäßigen Drogenkonsumenten.

»Verdammt, gib her!«, stieß er hervor, doch ich dachte nicht daran und klammerte mich fester an den Griff der Waffe, worauf sich ein Schuss löste. Gleichzeitig ließen wir los und die Pistole krachte zu Boden. Verdutzt starrte mich der It-Boy an, während oben jemand »Gopferdammi, nicht schon wieder!« schimpfte und entnervt ein Fenster zugeschlagen wurde.

Ich sprang auf, versetzte der Waffe einen gezielten Tritt, sodass sie unter eines der geparkten Autos auf der gegenüberliegenden Seite des Durchgangs schlitterte, und rannte los.

Hinter mir lachte Raffi siegessicher: »Lauf nur, es wird dir nichts nützen! Ich hab mir nämlich deine verdammte Fresse gemerkt, du Scheißtürke!«

Ich drehte mich im Laufen um und streckte den Mittelfinger hoch. »Ich bin, verdammt noch mal, kein verdammter Scheißtürke!«

Mit hämmerndem Herzen lehnte ich mich an die Wand im Eingangsbereich meines Wohnhauses, das sich in der nächsten Parallelstraße befand, und ließ gefühlte zehn Minuten verstreichen.

Obwohl ich sicher war, dass Raffi mit dem Koks sofort zu den beiden Damen geeilt war, wollte ich kein Risiko eingehen. Der Idiot war immerhin bewaffnet und unter Drogeneinfluss noch unberechenbarer als ohnehin.

Mit einem mulmigen Gefühl machte ich mich schließlich auf den Weg zurück. Ich überzeugte mich davon, dass die Luft rein war, bevor ich in die Brauerstrasse einbog, doch als ich den Durchgang betrat, rieselte die Enttäuschung wie ein kalter Schauer auf mich herab. Der Geländewagen war weg, von der Kamera keine Spur. Beinahe konnte ich das hämische Ploppen hören, mit dem mein Traum vom großen Geld platzte. Zwar hatte ich in den ersten Tagen meiner Überwachung einige Fotos von Raffi auf mein Laptop kopiert, dies jedoch aus Bequemlichkeitsgründen bald sein lassen. Somit war auch der Auftrag der Versicherung flöten gegangen, für Lückenloses reichte das Material nicht ansatzweise. Ihn weiter zu observieren, konnte ich glatt vergessen, Raffi würde mich nicht nur auf der Stelle wiedererkennen, ich lief auch Gefahr, vermöbelt zu werden.

Verdrossen ließ ich mich gegen die Wand fallen. Da war ich nun, keine Kohle, kein Auftrag, kein richtiger Job. Schönes Detektivleben!

Ich klingelte Sturm und ohne abzuwarten, dass der Öffner betätigt wurde, drückte ich die schlecht schließende Tür auf und rannte die Treppe hoch.

»Mann, echt, ich hab grad so was von keinen Bock mehr auf meinen Job!«, polterte ich, kaum hatte ich die Wohnung betreten, und stapfte direkt in die Küche. Sie war leer.

»Wo steckst du denn?« Ich lief durch den schmalen Gang zurück, doch auch im Wohnzimmer war niemand. Erst als ich die angelehnte Schlafzimmertür aufstieß, entdeckte ich sie. Betroffen blieb ich auf der Schwelle stehen.

»Ich muss mich beruhigen«, erklärte Miranda verzagt, während sie einen Joint rollte, der größenmäßig jedes Alphorn in den Schatten gestellt hätte. »Ich steh jetzt schon komplett neben mir.«

Sie saß in einem perlmuttfarben schimmernden Negligé am Kopfende ihres Bettes und lehnte sich gegen die Wand, die langen Beine über Kreuz. Ihre lockigen Haare waren zerzaust, sie war ungeschminkt und sah ungewohnt blass aus. Am Kinn und über der Oberlippe waren deutlich dunkle Bartstoppeln auszumachen. Als sie den Joint zuklebte, zitterten ihre Finger. Noch nie hatte ich meine beste Freundin, die in einer anderen Zeitrechnung einmal Gustavo geheißen hatte, so nervös gesehen, nicht einmal vor dem Einsetzen ihrer ersten Brustimplantate.

»Am Sonntag ist es so weit«, bemerkte ich, weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte sagen sollen, und setzte mich auf den Bettrand. Ich hatte den Termin keineswegs vergessen, ich war nur gerade ziemlich mit mir selbst beschäftigt gewesen. Dabei konnte Miranda etwas moralische Unterstützung gut gebrauchen.

»Ja, am Sonntag ist es so weit.«

»Alles geritzt?«

»Es gab ja nicht so viel zu organisieren. Die Couch lässt sich mit wenigen Handgriffen zu einem Bett umwandeln und Duschtücher sind eh genügend da …« Ich sah Panik in ihrem Blick aufflackern.

»Das wird schon.«

»Ich weiß nicht, Vijay …«

»Doch, doch. Wir sind ja auch da und unterstützen dich, so gut es geht.«

»Ich habe mich so lange nach diesem Tag gesehnt – und jetzt, wo er da ist, fürchte ich mich davor.«

»Du schaffst das.«

»Es gibt keine Fluchtmöglichkeit mehr.«

»Was ist jetzt mit diesem Lokal? Hast du schon was vom Besitzer gehört?«

Stirnrunzelnd begutachtete Miranda den fertig fabrizierten Joint, während ihr deutlich anzusehen war, wie viel Anstrengung sie das Umschwenken auf ein neues Thema kostete. Aber es brachte meiner Meinung nach nichts, weiterhin über einen Sachverhalt zu diskutieren, der ohnehin nicht mehr zu ändern war. Schließlich hatte Miranda es so gewollt und am Sonntag würde man weitersehen. Sie würde es überstehen, sie war ein großes Mädchen.

»Das Restaurant wäre perfekt«, beantwortete sie meine Nachfrage und ihre Augen bekamen etwas Glanz zurück. »Klein und übersichtlich, zentral an der Bäckerstrasse gelegen. Ideal, um japanische Nudelsuppen anzubieten. Nur gibt es leider noch andere Interessenten, wie du dir denken kannst. Und der Preis ist auch nicht ganz ohne.«

»Aber finanzierbar?«

Eine durchaus berechtigte Frage, denn noch immer stiegen die Mietpreise in der Stadt in teilweise astronomische Höhen.

»Wenn der Laden läuft, dann knapp. Andernfalls muss ich die Suppe selber auslöffeln, im wahrsten Sinn des Wortes.«

»Im Notfall könntest du ja immer noch …«

»Nein! Dahin will ich unter keinen Umständen zurück.«

Miranda hatte nach langen Jahren des Haderns endlich ihren Job als Prostituierte aufgegeben, ein Befreiungsschlag für sie, war sie doch in diesem Metier schon länger unglücklich gewesen. Allerdings fehlte ihr nun das regelmäßige und nicht zu knappe Einkommen. Momentan hielt sie sich mit Erspartem über Wasser, während sie auf der Suche nach einem geeigneten Lokal war. Doch ich wusste, dass sich ihre Ressourcen dem Ende zuneigten, während sich das Finden einer passenden Lokalität für ihr geplantes Restaurant als ausgesprochen umständlich und kostspielig gestaltete.