Umschlag

Olaf R. Dahlmann

Das Recht des Geldes

Kriminalroman

Der Autor

Olaf R. Dahlmann lebt in Großhansdorf bei Hamburg, ist seit über fünfundzwanzig Jahren als freiberuflicher Rechtsanwalt tätig und Seniorpartner einer Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft. Aufgrund seiner frühzeitigen Spezialisierung auf das Steuerstrafrecht ist er mittlerweile einer der erfahrensten Hamburger Anwälte auf diesem Gebiet. In seinen Debütroman Das Recht des Geldes sind Geschehnisse aus wahren Fällen eingeflossen.

 

 

 

 

Für Janina und Lara

 

 

 

 

Geld ist das Brecheisen der Macht.

Friedrich Nietzsche, 1844  1900, deutscher Philosoph

 

 

Hinter jedem großen Vermögen steckt ein Verbrechen.

Honoré de Balzac, 1799  1850, französischer Philosoph und Romanautor

 

 

 

 

Die Handlung dieses Romans basiert zum Teil auf wahren Begebenheiten, teilweise ist sie frei erfunden.

 

Die Personen dieses Romans sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind daher rein zufällig

Prolog

Der Mann hatte sich am Telefon als Pawel Ostrominsky vorgestellt, als Tee- und Gewürzhändler aus Odessa, doch Dr. Egidius Ansbacher bezweifelte, dass es sich um seinen richtigen Namen handelte, geschweige denn um seinen richtigen Beruf. Ansbacher war das jedoch egal. Früher oder später würde er erfahren, mit wem er wirklich ins Geschäft gekommen war.

Normalerweise akzeptierte der Liechtensteiner Rechtsanwalt freitags nach fünfzehn Uhr keine Termine mehr, schon gar nicht mit Personen, die keine seiner Mandanten waren und die er nicht persönlich kannte. Aber heute würde er eine Ausnahme machen. Denn bei Ostrominsky, oder wie immer der Ukrainer auch heißen mochte, konnte es sich um einen lukrativen zukünftigen Klienten handeln. Er hatte geschliffen gesprochen, in fast akzentfreiem Deutsch, und angekündigt, für ein ukrainisches Konsortium zwei Aktiengesellschaften sowie eine Stiftung gründen zu wollen, was einem Rechtsanwalt ein Honorar von gut dreißigtausend Schweizer Franken einbringen würde. Und wenn ihm dann auch noch die Verwaltung übertragen würde, kämen jährlich noch einmal ungefähr zehntausend Schweizer Franken hinzu. In den meisten Fällen, in denen Ansbacher mit der Gründung solcher Institutionen beauftragt worden war, hatte das auch geklappt.

Deshalb hatte er – »Aber wirklich nur ausnahmsweise!«, wie er am Telefon mehrfach betont hatte – in den späten Terminwunsch des potenziellen Mandanten eingewilligt. Schließlich war die Zahl solcher Neugründungen in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen. Die Steuerbehörden hatten weltweit mächtig aufgeholt. Das hatte zur Folge, dass selbst für Liechtensteiner Rechtsanwälte die Bäume längst nicht mehr  in den Himmel wuchsen.

Seine Sekretärin hatte sich wie jeden Freitag bereits um vierzehn Uhr ins Wochenende verabschiedet. Ansbacher blickte auf seine Fliegeruhr am Handgelenk. Die Oris hatte schon sein Vater getragen. Es war zwei Minuten vor drei. Er überlegte, ob er das Wochenende nicht doch im Engadin verbringen sollte, wo er über Pontresina ein Chalet besaß, mit herrlicher Aussicht auf die legendäre Diavolezza. Das frühlingshafte Wetter schien sich zu halten und außerdem fehlten ihm noch sechs Flugstunden zur Verlängerung seiner Privatpilotenlizenz. Eigentlich war er kein Mann spontaner Entschlüsse. Aber ja, er würde diesen Ostrominsky jetzt kurz sondieren, danach zum Vaduzer Flughafen fahren, der allerdings eher einem Flugfeld entsprach, seine Beechcraft Bonanza startklar machen, nach Samedan hinüberhüpfen und am Abend im Hotel Steinbock essen. Vielleicht würde es sogar was zu feiern geben.

Ansbacher war von einer Art Hochgefühl ergriffen, als das sonore Summen der Klingel ertönte. Der Tee- und Gewürzhändler war auf die Sekunde pünktlich. Pawel Ostrominsky – sein neuer Mandant, da war Dr. Egidius Ansbacher sich inzwischen sicher.

Etwas schwerfällig erhob sich der Anwalt aus seinem Bürosessel und schritt gemächlich zur Eingangstür, neben der ein kleiner Monitor an der Wand hing. Auf dem Bildschirm erkannte er einen Mann mit Hut, der mit einem Aktenkoffer in der Hand im Windfang des schlichten Bürohauses an der Fürst-Franz-Josef-Straße stand. Ansbacher drückte den Türöffner und wartete, bis die Schritte seines Besuchers draußen auf dem Flur zu hören waren. Dann öffnete er die Tür zu seiner Kanzlei, noch bevor der Fremde klingeln konnte.

»Herr Ostrominsky, nehme ich an«, sagte der Anwalt und streckte dem Besucher jovial die Hand entgegen. »Bitte, treten Sie ein!«

»Dr. Ansbacher? Sehr erfreut«, erwiderte der Ukrainer fast akzentfrei. Sein Händedruck war erstaunlich kräftig, obwohl er von relativ kleiner, fast zerbrechlicher Statur war. Ansbacher überragte ihn um Haupteslänge. Ostrominskys dunkler Teint, seine glatten, zurückgekämmten tiefschwarzen Haare in Kombination mit der dunklen Sonnenbrille und einem etwas zu glänzenden grauen Anzug erfüllten alle Klischees eines Kunden einer internationalen Steueroase. Ansbacher schätzte ihn auf Anfang vierzig.

Er ließ den Tee- und Gewürzhändler ablegen und führte ihn dann in sein Büro, wo er ihm etwas zu trinken anbot. Er fügte bedauernd hinzu, dass seine Sekretärin schon gegangen sei. »Es ist schließlich Freitag, verstehen Sie?«

Ostrominsky lächelte, auch weil er die regelmäßigen Arbeitszeiten von Ansbachers Mitarbeiterin bereits kannte.

»Wenn Sie vielleicht ein Mineralwasser für mich hätten?«, sagte der Ukrainer. Er nahm auf einem der beiden bequemen Lehnstühle vor dem protzigen Mahagonischreibtisch Platz und begann, offensichtlich ein wenig nervös, an den Schlössern seines Aktenkoffers zu nesteln. Der Anwalt musterte ihn kurz, nickte, innerlich zufrieden, und ging in die kleine Pantry.

Ostrominsky hörte, wie erst ein Wandschrank und dann eine Kühlschranktür geöffnet wurden. Blitzschnell stellte er den Koffer auf den Boden, sprang auf und huschte um Ansbachers Schreibtisch herum. Mit einem Blick vergewisserte er sich, dass der Computer und der Monitor auf dem Schreibtisch eingeschaltet waren und dass die Anwaltssoftware lief. Das würde die Sache einfacher gestalten, dachte er, huschte zurück zum Besucherstuhl, setzte sich wieder, nahm seinen Aktenkoffer auf den Schoß, öffnete ihn und wühlte betont geschäftig zwischen ein paar Schnellheftern, bis er fand, was er gesucht hatte. Als Ansbacher mit einem kleinen Tablett in sein Büro zurückkehrte, hatte der Ukrainer eine gleichmütige Miene aufgesetzt.

»So«, sagte der Rechtsanwalt und stellte das kleine Tablett etwas linkisch auf dem Schreibtisch ab, »da haben wir das Mineralwasser. Kennen Sie Allegra Passugger? Ich glaube, es ist das beste Wasser der Welt.«

Als Egidius Ansbacher im Begriff war, das Fläschchen zu öffnen, erhob sich der ukrainische Tee- und Gewürzhändler aus dem Stuhl, zog dabei seine rechte Hand aus dem Aktenkoffer, ließ diesen fallen und zielte mit einer schallgedämpften Pistole auf den Kopf des Anwalts. Der war zu verblüfft, um in irgendeiner Weise reagieren zu können. Dafür hätte ihm der Mann auch niemals Zeit gelassen. Er drückte sofort ab.

Das trockene Ploppen des Schusses überschnitt sich mit dem leisen Zischen der Kohlensäure, die aus dem Flaschenhals entwich. Das Projektil drang knapp über der Nasenwurzel in Ansbachers Stirn ein und trat am Hinterkopf wieder aus. Da es sich um ein Explosivgeschoss handelte, entstand an der Wand eine ziemliche Schweinerei.

Der Anwalt war bereits tot, als sein Kopf mit einem dumpfen Geräusch auf der Tischplatte aufschlug. Das Fläschchen und der Öffner glitten aus seinen erschlafften Fingern und fielen auf den Schweizer Ziegenhaarteppich.

Der Ukrainer, der sich Ostrominsky nannte, aber in Wahrheit Rezart Dani hieß und aus Albanien stammte, sammelte die leeren Schnellhefter ein, die auf den Boden gefallen waren, stopfte sie zusammen mit der Beretta in den Aktenkoffer zurück, verschloss ihn dann sorgfältig und legte ihn auf den zweiten Besucherstuhl.

Der Mann beugte sich hinunter und sah dem Anwalt in die aufgerissenen Augen. Danach betrachtete er mit angewiderter Miene das Blut an der Wand, das mit Hirnmasse und Knochensplittern versetzt war. Es hätte sauberere Varianten gegeben, aber er hatte sichergehen müssen. Die Anzahlung von fünfzigtausend Euro war erst einmal verdient. Jetzt musste Dani sich nur noch um den Rest kümmern und dann könnte er sein neues Leben beginnen.

In den folgenden Minuten entwickelte er eine emsige Geschäftigkeit, ohne dabei in Hektik zu verfallen. Zunächst streifte er sich dünne graue Handschuhe über. Dann klaubte er sein Mobiltelefon aus der Hosentasche und schickte eine vorbereitete SMS an die Nummer seines jüngeren Bruders Gezim, der im Sprinter eines bekannten Schweizer Umzugsunternehmens auf dem Parkplatz eines Supermarktes am Ortsausgang von Vaduz wartete.

Dani nahm auf Ansbachers Chefsessel Platz, stieß mit beiden Füßen den Leichnam vom Schreibtisch hinunter und steckte dann einen USB-Stick in einen der vier Slots des Computers. Der Stick enthielt eine spezielle Software, mit der er den Zugangscode des Rechners knacken wollte, um ihn später wieder problemlos hochfahren zu können.

Bereits nach zwei Minuten meldete der Rechner den Vollzug. Dani lächelte, denn der Rechtsanwalt hatte ein erstaunlich dämliches Passwort für seinen Bildschirm gewählt, ausgerechnet BeechcraftBonanzaV35B, die Typenbezeichnung seines Flugzeuges, das der Albaner ein paar Tage zuvor in einem Hangar des Vaduzer Flughafens in Augenschein genommen hatte. Kopfschüttelnd speicherte er die Zugangsdaten auf einem zweiten USB-Stick. Dann schaltete er den Computer und den Monitor aus und trennte die Geräte vom Stromnetz. Er kabelte den PC von den Peripheriegeräten ab, trug ihn in den Flur und stellte ihn neben der Eingangstür ab. Danach nahm Dani sich den zweiten Rechner, der im Sekretariat stand, auf die gleiche Weise vor. Dieses Büro wurde von einem mannshohen Aktenregal dominiert, das eine ganze Wand einnahm.

Etwa zehn Minuten später, genau in dem Moment, als Rezart Dani den zweiten gehackten Computer neben der Eingangstür abstellte, ertönte die Klingel. Der Albaner überzeugte sich mit einem Blick auf den Überwachungsmonitor, dass auch wirklich sein Bruder draußen vor der Tür stand, betätigte dann den Summer und wartete, bis es an der Tür zur Kanzlei klopfte.

Gezim Dani, der mit einem Dutzend gefalteter Umzugskartons hereinkam, war jünger, aber ungleich größer und kräftiger als Rezart. Er trug einen dunkelblauen Overall mit einem aufgedruckten gelben Firmenlogo, dazu die passende Baseballkappe, was ihn zweifellos als Mitarbeiter eines Umzugsunternehmens auswies. Wortlos begann er, die Kartons auseinanderzufalten, während Rezart sich zurück ins Sekretariat begab und damit begann, die Aktenordner aus dem Regal zu ziehen.

Nachdem sein Bruder ein Dutzend Umzugskartons zusammengebaut hatte, trug er die beiden Computer hinunter und lud sie in den Sprinter, der mit vorschriftsmäßig eingeschalteten Warnblinkern auf der Straße vor dem Bürohaus parkte. Auf dem Rückweg brachte Gezim einen zweiten dunkelblauen Overall nebst Schirmmütze und Arbeitsschuhen mit. Dann begann er, die Kartons, in denen Rezart inzwischen die ersten Aktenordner verstaut hatte, einen nach dem anderen hinunter in den Lieferwagen zu tragen.

Als der letzte Karton halb vollgepackt war und er sich noch einmal vergewissert hatte, dass er keinen Ordner übersehen hatte, zog Rezart sich um und verstaute seinen Anzug, die Halbschuhe und den Aktenkoffer in diesem letzten Karton. Sein Bruder trug auch ihn nach unten, verriegelte gemächlich die Hecktür des Sprinters, setzte sich hinters Lenkrad, zündete sich eine filterlose Zigarette an und schaltete das Autoradio ein. Es herrschte kaum Verkehr. Auch waren nur wenige Passanten unterwegs, die dem kleinen Möbelwagen keine Beachtung schenkten.

Rezart Dani machte einen letzten Kontrollgang durch die Kanzlei. Ansbachers Leiche, die in unnatürlich verrenkter Haltung neben dem Schreibtisch lag, würdigte er keines Blickes. Er sammelte noch die beiden Terminkalender des Anwalts und seiner Sekretärin ein und klemmte sie sich unter den Arm. Schließlich zog er die Bürotür hinter sich zu, ging auf die Straße hinunter und stieg zu seinem Bruder in den Wagen.

Ihr erstes Ziel war ein romantisch gelegener Parkplatz an der Plankener Landstraße im Vaduzer Wald, etwa drei Kilometer außerhalb der Innenstadt, wo die beiden Männer eine neue Identität annahmen und das Fahrzeug wechselten.

Etwa eine Stunde später passierten zwei müde Bauarbeiter in einem schlammverkrusteten VW-Pritschenwagen mit österreichischem Kennzeichen, der einen Betonmischer, eine große Werkzeugkiste und etwa zwanzig Säcke Zement auf der Ladefläche transportierte, auf der viel befahrenen Landstraße 191 bei Feldkirch die Grenze zu Österreich. Die Schweizer Zöllner winkten die Männer gelangweilt durch. Rezart und Gezim Dani atmeten erleichtert auf, grinsten sich an und fuhren dann auf die A14 in Richtung Bregenz.

1

Katharina Tenzer verbrachte ihre Mittagspause am Schreibtisch. Mal wieder, aber sie hatte sich diesen Beruf ja freiwillig ausgesucht. Die junge Frau löffelte einen Fruchtjoghurt und schaute aus dem Fenster ihres Büros im zweiten Stock über den Alsterarkaden hinunter auf den Rathausmarkt, wo normal arbeitende Angestellte wenigstens für eine halbe Stunde die Frühlingssonne genießen konnten. Obwohl sie bisher so gut wie nichts von Hamburg gesehen hatte, gefiel ihr die Stadt dennoch von Tag zu Tag besser.

In solch kurzen Momenten der Ruhe ertappte Katharina sich häufiger dabei, wie sie in ihre Erinnerungen abdriftete; so wie jetzt, als ihr der verregnete Donnerstag vor fast genau einem Monat in den Sinn kam. An jenem Tag war sie mit einem überdimensionierten Rollkoffer aus dem ICE 2308 im Hamburger Hauptbahnhof ausgestiegen, aufgeregt, nervös und ein wenig fröstelnd. Letzteres jedoch nicht nur wegen des nasskalten Novemberwetters, sondern weil für sie am Montag darauf der wirkliche Ernst des Lebens beginnen sollte.

Ihr erster Blick war sofort wieder nach oben durch die riesige Halle aus Stahl und Glas gewandert und an der beeindruckenden Uhr auf der Nordseite des Bahnhofs hängen geblieben. Diese Uhr hatte sie schon als Sechsjährige mächtig beeindruckt, damals, als sie drei Jahre nach dem Mauerfall, im Oktober des Jahres 1992, mit ihren Eltern zum ersten Mal nach Westdeutschland gereist war. Ansonsten konnte sie sich jedoch weder an irgendwelche Örtlichkeiten noch an die entfernte Verwandte ihres Vaters erinnern, die sie damals besucht hatten.

Katharina stammte ursprünglich aus der mecklenburgischen Provinz, aus Lüssow bei Stralsund, einem Kaff. Ihre Eltern waren Mediziner, die an der dortigen Polyklinik gearbeitet hatten. Beide waren in der Partei gewesen und bis heute lebten sie nach der Soljanka-Devise: Fett schwimmt immer oben, jedenfalls dann, wenn die Zutaten stimmen. Sie hatten dank ihres umfangreichen Grundbesitzes vom politischen Systemwechsel profitiert, denn jetzt war Bauland gefragt.

Katharina konnte ihre Jugend trotz der Wiedervereinigung nicht als unbeschwert bezeichnen. In der DDR hatten die Tenzers schließlich zur Elite gehört und ihre Eltern hatten alles dafür getan, dass Katharina auch nach dem Mauerfall nicht den Ablenkungen des Westens erliegen konnte. So hatte sie selbstverständlich Bestnoten aus ihrem ersten juristischen Staatsexamen im Gepäck und fließend Russisch konnte sie – neben Englisch und Französisch – ebenfalls sprechen.

Doch für die letzte Station ihres Referendariates, der Anwaltsstation, hatte es die junge Frau nicht nach Berlin gezogen, sondern in eine westdeutsche Großstadt. Zur Auswahl hatten Hamburg, München und Frankfurt gestanden, da eben, wo die richtige Musik spielte, wenn es um Finanzen, Wirtschaft und Handel ging. Katharina hatte ein klares Ziel vor Augen: Sie wollte Wirtschaftsanwältin werden, möglichst gut, besser noch sehr gut verdienen, um unabhängig zu sein. Außerdem wollte sie auch aus dem unmittelbaren Dunstkreis ihrer Eltern heraustreten.

Eigentlich musste sie jetzt nur noch ihre Referendarausbildung mit dem zweiten Staatsexamen erfolgreich abschließen. Verschiedene staatliche und private Institutionen in Mecklenburg-Vorpommern hatte Katharina in den letzten eineinhalb Jahren bereits durchlaufen und ein Monat der abschließenden sechsmonatigen Anwaltsstation war auch schon wieder rum. Wenn sie daran dachte, wie sie diesen Job bekommen hatte, musste sie unweigerlich den Kopf schütteln. Das an der Uni mühevoll eingepaukte Wissen hätte sie getrost zu Hause lassen können.

Genau wie die attraktiven Jobs in der Branche waren auch die Referendarstellen bei den jeweiligen Koryphäen der diversen Fachgebiete unter den angehenden Juristen heiß begehrt. Ihr Professor an der Universität Greifswald hatte ihr, beinahe schon in verschwörerischem Flüsterton, den Namen eines Hamburger Rechtsanwalts genannt, eines ehemaligen Kommilitonen. Katharina hatte sich zunächst gewundert, denn bei Friedemann Hausners Kanzlei handelte es sich nicht gerade um eine der großen, bekannten. Aber der Professor hatte energisch genickt.

Bei ihren Recherchen hatte sie dann rasch festgestellt, dass dieser Hausner offenbar ein wirklich Großer seiner Zunft war, so eine Art graue Eminenz, der den Ruf einer Machete im eigentlich undurchdringlichen Dschungel der Steuergesetze genoss und offenbar ganz besonders gut betuchte Mandanten zu seinen Klienten zählen durfte. Es hieß, dass seine Kunden ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen konnten. Und wenn einer von ihnen beim Schummeln erwischt worden war und die Steuerfahnder ihm die Luft abzuwürgen drohten, dann war dieser Hausner angeblich so gut wie immer in der Lage, irgendwie und von irgendwoher einen Strohhalm aufzutreiben, an den sich der Steuersünder klammern konnte, um am eisernen Griff des Finanzamtes nicht zu ersticken.

Als Katharina zwei Tage später telefonisch einen Termin in Hamburg vereinbaren wollte, war es ihr vorgekommen, als hätte der Anwalt bereits auf ihren Anruf gewartet – und als hätte sie den Job in der Tasche. Sie vermutete, dass ihr Professor im Hintergrund bereits eine Weiche gestellt hatte, aber sie war der Zug – und sie musste allein fahren. Katharina war sich sogar ziemlich sicher gewesen, dass sie gleich in Hamburg bleiben würde, und hatte zum Erstaunen ihrer Eltern viel mehr eingepackt als nötig.

Das persönliche Vorstellungsgespräch hatte dann tatsächlich gerade mal zehn Minuten gedauert, in denen Hausner jedoch nicht ein einziges Mal auf ihre herausragenden Universitätszeugnisse und Kursbenotungen zu sprechen gekommen war. »Mich interessiert nur, ob Sie Grundkenntnisse im Steuerrecht haben. Den Feinschliff lernen Sie dann hier«, hatte er mit einem unangenehm selbstgefälligen Unterton gesagt und dabei die Arme über seinem mächtigen Bauch verschränkt.

Leicht gekränkt hatte Katharina ihm noch von ihrem zweimonatigen Crashkurs im Bilanzrecht erzählt, den er jedoch nur mit einem süffisanten Lächeln quittierte. Dann hatte auch schon wieder das Telefon geklingelt. Die Sekretärin stellte einen drängelnden Mandanten durch und Friedemann Hausner tat erneut so, als hätte er genau diesen Anruf just in diesem Moment erwartet. Das war Katharinas erste Lektion gewesen.

In Wahrheit hätte er viel lieber noch ein bisschen länger mit seiner neuen Referendarin geplaudert, die er ausgesprochen schnuckelig fand. Vermutlich hätte er am Ende noch angefangen, mit ihr zu schäkern, was er mit den jungen Frauen in seinem beruflichen Umfeld gern tat. Denn Geld und Einfluss machten eben sexy: Das hatte er mit seinen inzwischen fünfundfünfzig Jahren und trotz seiner hundertdreißig Kilo schon öfter erlebt. Katharina schätzte er jedoch als charakterfest ein, was für Hausner gleichbedeutend mit prüde war.

Er hatte die freie Hand über die Sprechmuschel des Telefonhörers gehalten. »Tut mir leid, das ist dringend. Sie haben den Job! Rufen Sie mich morgen gegen zehn an, dann besprechen wir noch ein paar Einzelheiten«, hatte er geflüstert. »Und am Montag fangen Sie dann an.«

Katharina hatte wie betäubt genickt, sich erhoben und es gerade noch geschafft, ihrem neuen Chef ein Lächeln zu schenken, aber eigentlich wusste sie nicht so recht, was sie von diesem schmerbäuchigen Kerl halten sollte. Es hatte geschienen, als hätte er sie in diesem Moment vollkommen ausgeblendet und würde sich ausschließlich seinem Mandanten widmen.

So war ihr beim Hinausgehen entgangen, dass Hausner einen weitaus längeren Blick als nötig auf ihre schlanken Beine geworfen hatte, die in einer eng anliegenden schwarzen Jeans steckten, und dabei zufrieden grinste.

Über die Mitwohnzentrale hatte Katharina erfreulich schnell ein Zimmer in einer Winterhuder WG bekommen, einem der beliebtesten und lebendigsten Stadtteile. Ihre beiden Mitbewohnerinnen – sie waren etwas jünger als sie und studierten ebenfalls – hatten die Neue herzlich empfangen und ihr am Wochenende ein wenig die Stadt gezeigt, die nun für mindestens ein halbes Jahr ihre neue Heimat sein würde.

Am darauffolgenden Montag hatte Katharina dann, wie sie glaubte überpünktlich, zehn Minuten vor neun an der Mahagonitür im zweiten Stock des aus der Gründerzeit stammenden Stadthauses gestanden. Bis auf Hausner selbst war die Kanzlei bereits voll besetzt.

Gudrun Peters, die leicht altjüngferliche Sekretärin, nahm Katharina an der Garderobe in Empfang und führte sie durch die übersichtlichen Räumlichkeiten, von denen sie bisher ja nur Hausners Büro kennengelernt hatte.

In einem engen Zimmer neben dem offenen Sekretariat saß ein schlaksiger, junger Mann vor einem großen Bildschirm und bearbeitete mit feingliedrigen Fingern die Tastatur und eine Rechenmaschine. Er hatte seine halblangen blonden Haare zu einem kurzen Zopf gebunden. In seinem linken Ohr funkelte ein kleiner Brillant. Er trug eine verwaschene Designerjeans, dazu ein wild gemustertes Seidenhemd und Sneakers aus Wildleder.

»Das ist Herr Meinertz«, sagte die Sekretärin. Der Mann erhob sich und streckte Katharina die Hand hin. Sie erwiderte seinen Händedruck, der sehr schlaff und weich war. »Ich bin der Jacques«, sagte er mit nasaler Stimme und der jungen Frau war sofort klar, dass dieser Kollege sie niemals anbaggern würde. Sie überlegte, welche Funktion er hier im Büro wohl haben könnte. Anwalt war er jedenfalls nicht, das hatte sie bereits durch die vorherige Recherche über die Kanzlei herausgefunden.

Im Zimmer nebenan saß Monika Hollerbach, eine dralle rotblonde Frau um die fünfzig, die gerade mit einem Diktiergerät kämpfte. »Ich bin hier bloß die Schreibkraft«, sagte sie fröhlich und mit festem Händedruck, als sie Katharina vorgestellt wurde. Die Referendarin hatte sich die Kanzlei eines der renommiertesten Fachanwälte für Steuerrecht anders vorgestellt. In was für eine Klitsche war sie da bloß hineingeraten?

Ihr eigenes Büro, das eine unverbaute Aussicht aufs Hamburger Rathaus bot, versöhnte sie jedoch sogleich wieder und vertrieb ihre aufkommenden Zweifel. Es war technisch auf dem neuesten Stand und die englischen Möbel nebst einer Horst-Janssen-Lithografie an der Wand zeugten vom guten Geschmack des Einrichters.

Auf der polierten Schreibtischplatte lagen mehrere kleine Aktenstapel und ein Diktiergerät, das mit dem Computer verkabelt war. Die Mappen schienen auf sie zu warten. Aber Katharina brannte ja auch darauf, endlich in die Tiefen der Steuer- und Wirtschaftsverbrechen abzutauchen, endlich die Theorie hinter sich zu lassen, um sich Tage und Nächte um die Ohren zu schlagen 

Gudrun Peters schien zu ahnen, was Katharina dachte. »Der Chef hat Ihnen schon mal einige kleinere Akten bereitlegen lassen und zu jeder einen Vermerk diktiert, was zu tun ist. Heute Vormittag ist Herr Hausner bei Gericht, aber er kommt wohl am Nachmittag rein.« Mit diesen Worten ließ sie die Referendarin allein.

Katharina ließ sich in den weichen Chefsessel plumpsen, genoss noch einmal kurz die Aussicht auf den Rathausmarkt und wandte sich dann ihrem Computer zu. Neben dem Telefon lagen ein kurzer technischer Leitfaden, der auch das Passwort für den PC beinhaltete, sowie ein Satz Schlüssel für die Kanzlei. Sie staunte über die perfekte Vorbereitung. Eigentlich fehlte jetzt nur noch der Kaffee.

»Trinken Sie eigentlich lieber Tee oder Kaffee, Frau Tenzer?«, fragte Gudrun Peters. Sie stand in der Tür, Katharina hatte sie nicht kommen gehört.

»Kaffee«, entgegnete sie perplex.

»An Ihrem ersten Tag bringe ich Ihnen sogar einen! Mit Milch und Zucker?« Die Sekretärin lächelte.

»Nur mit Milch!« Katharina lächelte zurück.

»Die Regel bei uns lautet: Wer den letzten Kaffee nimmt, brüht einen neuen auf«, sagte Gudrun Peters.

Bis in den späten Nachmittag hinein, draußen dämmerte es bereits, hatte die Referendarin sich ohne Mittagspause durch die akkurat geführten Akten gearbeitet, als Friedemann Hausner seine massige Gestalt ins Zimmer schob und ungefragt vor ihrem Schreibtisch Platz nahm. »Und? Wie gefällt Ihnen Ihr neues Zuhause?«, fragte er und stieß hörbar den Atem aus.

»Vielleicht ist es noch ein wenig zu früh für eine objektive Bewertung«, sagte Katharina ausweichend. Sie vermutete, dass Hausner an Bluthochdruck litt.

Der Anwalt schielte auf den Aktenstapel. »Und, wie kommen Sie voran?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Sie glauben ja gar nicht, was heute im Gericht los war. Eine Geschichte wie aus dem Tollhaus …!«

Katharina merkte, dass Hausner in Plauderstimmung war. Aber sie traute sich nicht, ihm zu sagen, dass ihr der Schädel brummte und sie gern Feierabend gemacht hätte. Also riss sie sich zusammen, klappte demonstrativ den Aktenordner zu und widmete sich voll und ganz ihrem Chef. Die nächsten Stunden lauschte sie, mehr oder weniger interessiert, einigen Anekdoten aus seinem reichen Anwaltsleben, die er nur einmal kurz unterbrach, um aus seinem Büro eine Flasche Kognak und zwei Gläser zu holen. Katharina winkte bedauernd ab.

Erst kurz nach acht erhob Hausner sich abrupt und strich sich über seinen Bauch. »So, Frau Tenzer, dann machen Sie mal Schluss für heute. Sie müssen es am ersten Tag ja nicht gleich übertreiben«, sagte er, aber Katharina vermutete, dass er lediglich versuchte, seinen Hunger zu verbergen.

Die ersten vier Wochen waren ereignisreich verlaufen, was allerdings nichts anderes hieß als enorm arbeitsreich. Katharina hatte auch die Wochenenden größtenteils in der Kanzlei verbracht. Was sie am meisten erstaunt hatte, war, dass Hausner sie bereits in der dritten Woche zu Mandantengesprächen hinzubat, nachdem er zuvor natürlich das Einverständnis der Klienten eingeholt hatte.

Wenn die interne Leitung klingelte, ließ sie sofort alles stehen und liegen, um ja nicht auch nur eine Minute dieser Treffen zu verpassen, in denen gestandene Manager, Ärzte, aber auch Anwaltskollegen nicht selten eine Lebensbeichte ablegten. Neben diesen neuen Mandanten, die überwiegend auf Empfehlung um einen dringenden Termin gebeten hatten – und diese Termine waren immer dringend –, empfing Hausner aber auch diejenigen seiner langjährigen Klienten, die er steuer- und wirtschaftsrechtlich betreute. Bei ihnen war er wesentlich zurückhaltender, wenn es darum ging, seine junge Referendarin miteinzubeziehen.

Dafür nahm an diesen Gesprächsrunden öfter Jacques Meinertz teil. Er hatte sich Katharina gegenüber in den ersten Tagen als ausgesprochen hilfsbereit gezeigt. Wann immer sie Fragen zur EDV oder zum Kanzleibetrieb hatte, bemühte er sich um die passende Antwort, die Lösung ihres Problems.

Sie hatte schnell gemerkt, dass Jacques Meinertz ein ebenso zuverlässiger wie penibler Zuarbeiter ihres Chefs war und vor allem Steuerberechnungen anstellte, Tabellen anlegte sowie einfachere Steuererklärungen fertigte. Katharina hatte aber auch gemerkt, dass Meinertz den direkten Umgang mit Mandanten am liebsten vermied, dafür jedoch bisher keine Erklärung gefunden.

Sie kratzte den Joghurtbecher aus, warf ihn in den Papierkorb und widmete sich wieder der Arbeit. Friedemann Hausner hatte sie um eine Recherche über mehrere Beteiligungsgesellschaften im asiatischen Raum gebeten. Doch ein paar Minuten später stand ihr Chef plötzlich in der Tür, hemdsärmelig und sichtlich aufgewühlt. Seine Wangen glühten. Kleine Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. So hatte sie Hausner noch nie gesehen.

»Hören Sie, Frau Tenzer«, sagte er. »Ich habe soeben einen sehr, sehr unerfreulichen Anruf eines Kollegen aus Liechtenstein erhalten, der unsere Pläne für die nächsten Tage – vielleicht sogar Wochen – total über den Haufen werfen dürfte.« Er räusperte sich. »Heute Nachmittag muss ich jedenfalls zu den Koppersbergs. Den Chef der Koppersberg AG, Michael Koppersberg, haben Sie ja bereits kennengelernt?«

Katharina nickte.

»Und in der kommenden Woche werde ich wohl nach Vaduz reisen müssen.« Hausner räusperte sich. »Sie werden derweil die Stellung hier halten, zusammen mit Meinertz natürlich. Aber keine Angst, Sie können das, Frau Tenzer, da bin ich sicher!« Katharina nickte automatisch, doch sie spürte, dass sie errötete, und wollte etwas fragen, aber Hausner drehte sich um und verschwand wieder in seinem Büro. Die junge Frau konnte gerade noch hören, wie er »Hoffentlich geht das alles gut …« murmelte.

2

Hinrich Rolf ärgerte sich, da er erst um kurz nach acht Uhr die S-Bahn nehmen konnte. Ausgerechnet heute, an seinem Ehrentag, würde er sich verspäten.

»Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige«, pflegte er stets zu sagen. An das letzte Mal, als er zu spät am Arbeitsplatz erschienen war, konnte er sich noch ganz genau erinnern: Das war vor acht Monaten und siebzehn Tagen gewesen.

Das wusste er deshalb so präzise, weil ihn frühmorgens das Krankenhaus angerufen und über den stillen Tod seiner Mutter informiert hatte. Am Abend vorher war er noch bei ihr gewesen. Da hatte er bereits mit dem Schlimmsten gerechnet. Durch die starken Schmerzmittel war sie kaum mehr ansprechbar gewesen. Auch hatte sie weder auf seinen Zuspruch, noch auf seine sachten Berührungen reagiert. Hinrich Rolf glaubte zwar, dass sie ihn erkannt hatte, doch sicher war er sich nicht.

Kurz vor Mitternacht hatte er das Krankenhaus mit der Gewissheit verlassen, dass er seine Mutter wohl nie wieder nach Hause holen würde, in die schöne große Altbauwohnung, die er mit ihr teilte. Dass ihr Herz jedoch noch in der gleichen Nacht einfach aufgehört hatte, zu schlagen, war trotzdem ein heftiger Schock für ihn gewesen, sodass er, von einem Weinkrampf geschüttelt, über eine Stunde einfach im Wohnzimmer sitzen geblieben war, bevor er ins Amt fuhr.

Doch ausgerechnet heute, am Tag seines fünfundzwanzigsten Dienstjubiläums, musste ihm dieses Missgeschick passieren. Er würde wieder zu spät zur Arbeit erscheinen, schon wieder, und dann auch noch aus einem solch lächerlichen Grund.

Dabei hatte der Steueroberregierungsrat wie üblich pünktlich seine Wohnung verlassen und war zur etwa fünfzehn Minuten entfernt gelegenen S-Bahn-Station Yorckstraße marschiert. Dem Anlass entsprechend, hatte er seinen guten dunkelblauen Anzug angezogen, den er schon am Vorabend aus dem Schrank geholt und ausgebürstet hatte. Zum weißen Oberhemd hatte er eine neue, modisch gestreifte Krawatte umgebunden, zu deren Erwerb die junge Verkäuferin beim Herrenausstatter ihn vorgestern nur mühsam hatte überreden können. Noch jetzt fühlte er sich damit unwohl in seiner Haut.

Kurz nach sieben hatte er die S-Bahn-Haltestelle erreicht. Doch als er fast schon oben auf dem Bahnsteig angelangt war, hatten ihn diese beiden Verrückten umgerannt: zwei junge Männer in Kapuzenshirts und Jogginghosen. Seine Aktentasche war in hohem Bogen die Treppe hinuntergeflogen und er hinterher. Rolf hatte zwar versucht, sich am Geländer festzuhalten, doch schließlich hatte er den Halt verloren und war mehrere Treppenstufen hinuntergerutscht.

Zwei Männer hatten ihm wieder auf die Beine geholfen, dabei über die ›Ölaugen‹ geschimpft, dieses nichtsnutzige Pack, und Rolf hatte in jenem Augenblick festgestellt, dass er das Gleiche dachte. Eine junge Frau hatte ihm mit bedauerndem Blick seine Aktentasche gereicht und ihn gefragt, ob alles in Ordnung wäre. Rolf hatte genickt. Er war froh, dass er sich beim Sturz nicht ernsthaft verletzt hatte; allerdings schmerzte sein rechtes Knie und der linke Handrücken war aufgeschürft.

Dann hatte er zu allem Überfluss festgestellt, dass sein Mantel, sein Anzug und sogar sein Oberhemd arg in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Nur die neue Krawatte hatte den Sturz unbeschadet überlebt. Doch so ramponiert konnte er unmöglich zum Dienst erscheinen. Er war daher noch einmal nach Hause zurückgegangen, um sich umzuziehen. Einen kurzen Moment lang hatte er mit einer Taxifahrt geliebäugelt, diesen Gedanken jedoch gleich wieder verworfen. Im morgendlichen Berufsverkehr der Hauptstadt waren die öffentlichen Verkehrsmittel unschlagbar, jedenfalls dann, wenn sie fuhren, und günstiger waren sie natürlich auch. So saß er nun mit einer guten Dreiviertelstunde Verspätung in der S-Bahn und fuhr in Richtung Niederschönhausen.

Das Bundeszentralamt für Steuern am DGZ-Ring am südlichen Rand von Pankow ist der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Häufig verwechselt sie es auch mit dem Bundesfinanzministerium. Doch das stiefmütterliche Dasein dieser Behörde wird den Aufgaben jenes Verwaltungsmonstrums in keiner Weise gerecht: Über eintausenddreihundert Staatsbedienstete arbeiten hier in verschiedensten Fachabteilungen, vorwiegend mit internationalem Bezug, wie zum Beispiel Amtshilfeverfahren mit ausländischen Behörden, sowie in Referaten für die zentrale bundesweite Vergabe von Steuernummern.

Darüber hinaus existiert noch eine kleine Abteilung, deren offizieller Titel ›Verständigung und Schiedsverfahren in internationalen Beziehungen‹ lautet. Was genau sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt, wissen im Prinzip nur die Mitglieder dieser Abteilung selbst.

Die Kollegen warteten bereits – kurz nach acht – zum einen ungeduldig, weil hungrig, zum anderen in klammheimlicher Vorfreude auf ein ausgiebiges Frühstück und einen arbeitsfreien Vormittag. Sie hatten für ihren Chef ein kleines Büfett aufgebaut, aber die Mortadella auf den halben Brötchen begann sich bereits an den Rändern zu wellen und auch die Leberwurst nahm eine leicht gräuliche Farbe an.

Als Hinrich Rolf endlich am Ende des Korridors auftauchte, schauten nicht wenige erstaunt auf ihre Armbanduhren, und als er schließlich in ihrer Runde stand und die hölzern vorgetragenen Glückwünsche zu seinem Dienstjubiläum entgegennahm, traute sich niemand, zu fragen, warum dem deutschen Steuerzahler ausgerechnet an diesem Morgen über eine Stunde Arbeitszeit abhandengekommen war. Auch über seine neue Krawatte, die nicht so recht zu seinem alten grauen Anzug passen wollte, verlor niemand ein Wort.

Hinrich Rolf mochte es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Dementsprechend rasch und freudlos endete das gemeinsame Frühstück nach nicht einmal einer Stunde und die Beamten huschten zurück in ihre Büros, um ihrer eigentlichen Tätigkeit nachzugehen, bei der es sich, salopp ausgedrückt, in erster Linie um das Auffinden und Eintreiben von unversteuertem Geld im Ausland handelte, das am deutschen Fiskus vorbeigeschleust worden war.

Rolf machte seine Bürotür hinter sich zu. Er ließ sich erleichtert in seinen Schreibtischstuhl fallen und rieb sich das rechte Knie, das nun dummerweise doch anzuschwellen begann. Er beschloss, den Schmerz zu ignorieren, und dabei würde ihm die Arbeit sicherlich helfen.

Doch kaum dass er den ersten Vorgang aus dem roten Eingangskörbchen auf seinem Schreibtisch herausgezogen und vor sich aufgeschlagen hatte, summte das Zweittelefon, das nicht an das interne Netz der Behörde angeschlossen war. Es gab nur eine Handvoll Menschen, die diese Telefonnummer kannten. Rolf straffte sich, nahm den Hörer ab und nannte seinen Namen. Und dann hörte er nur noch zu.

Der Anrufer begann, eine dramatische und äußerst unappetitliche Geschichte zu erzählen, verlor sich dabei jedoch nicht in Einzelheiten. Es war die präzise Schilderung eines ungeheuerlichen Vorfalls, der sich zwei Wochen zuvor am Freitag in Liechtenstein zugetragen hatte. Schon nach wenigen Augenblicken begann Rolf, sich auf einem Stenoblock Notizen zu machen. Ab und zu räusperte er sich, murmelte Wörter wie »entsetzlich«, »furchtbar«, »tragisch« und »Oh mein Gott«. Das Gespräch dauerte insgesamt sechs Minuten und wurde lediglich durch ein knappes »Danke« beendet.

Sofort nachdem Rolf den Hörer aufgelegt hatte, wählte er die Nummer eines Hausanschlusses. Zwei Minuten später betrat Steueramtsrat Harald Wienke das Büro des Sachgebietsleiters und nahm Platz.

»Danke, dass Sie gleich kommen konnten, Herr Wienke«, begann Rolf die Unterredung. »Sagen Sie, Ihnen ist der Name Ansbacher doch sicher geläufig? Dr. Egidius Ansbacher?« Er kam gern schnell auf den Punkt.

Der Steueramtsrat nickte. »Natürlich. Ein sehr gefragter Treuhänder in Liechtenstein, einer der Großen in der Branche …«

»Und einer der ganz Verschwiegenen. Nun …« Hinrich Rolf räusperte sich geräuschvoll. »… ich habe soeben von einem unserer Schweizer Informanten erfahren, dass Ansbacher erschossen worden ist …« Harald Wienke stieß hörbar den Atem aus und beugte sich vor. »… am Freitag, vor sieben Tagen, in seiner Kanzlei. Es soll eine regelrechte Hinrichtung gewesen sein … Wahrscheinlich liegt es an den kriminalpolizeilichen Ermittlungen, dass wir erst jetzt davon Kenntnis erhalten haben. Die Einzelheiten erspare ich Ihnen, denn deswegen habe ich Sie nicht kommen lassen, Wienke.« Jetzt beugte Rolf sich vor. »So wie es aussieht, haben der oder die Täter Ansbachers Büro ausgeräumt. Alle Unterlagen sind verschwunden, also alle Akten und sogar die Rechner. Und gerade Ihnen brauche ich ja nicht zu erklären, was das unter Umständen bedeuten könnte …«

Der Steueramtsrat schüttelte pflichtbewusst den Kopf. Nein, Nachhilfeunterricht hatte er nicht nötig. Schließlich war er es gewesen, der vier Jahre zuvor den ersten Deal zwischen einer bundesdeutschen Finanzverwaltung und einem Datendieb eingefädelt hatte, einem frustrierten Derivatehändler britischer Abstammung, der von seinem Schweizer Arbeitgeber, einer international agierenden Großbank, wegen schwerer persönlicher Verfehlungen gefeuert worden war. Diese CD, die die Daten einiger Hundert deutscher Steuerflüchtlinge enthielt, hatte den Staat zwar fünf Millionen Euro gekostet, doch die überraschend hohe Zahl der steuerlichen Selbstanzeigen, die dann aufgrund einer geschickt lancierten Berichterstattung in den Finanzämtern eintrudelten, hatten den hohen Kaufpreis mehr als nur gerechtfertigt. Der Gang an die Öffentlichkeit war wiederum Hinrich Rolfs Idee gewesen.

Letztlich hatte sich der deutsche Finanzminister über unverhoffte Einnahmen in Milliardenhöhe freuen dürfen und einige Gefängnisaufseher über zumeist sehr gebildete Häftlinge mit geschliffenen Manieren. Das waren jene Steuersünder, die diese Nachricht nicht ernst genommen hatten oder sich einfach bloß zu spät oder zu nachlässig selbst beim Finanzamt angezeigt hatten.

Aufgrund dieses Erfolges hatte es noch mehrere solcher umstrittener, jedoch von höchster juristischer Stelle aus abgesegneter Geschäfte gegeben, bis Hinrich Rolf auf die naheliegende Idee gekommen war, in unregelmäßigen Abständen eine entsprechende Pressemitteilung herauszugeben, die jedoch bloß aus heißer Luft bestand. Im aktuellen Fall sah die Sache allerdings anders aus – komplizierter, juristisch äußerst vertrackt.

»Dann könnte sich wohl bald jemand mit einer unserer Finanzbehörden in Verbindung setzen und seine Forderung auf den Tisch legen«, sagte Wienke, den Rolf wegen seiner schnellen Auffassungsgabe und seiner pragmatischen Arbeitsweise außerordentlich schätzte.

»Davon ist auszugehen. Aber in diesem Fall läge einem Ankauf nicht nur ein Datenklau, sondern auch ein Mord – ein Kapitalverbrechen – zugrunde. Ich bin mir deswegen nicht sicher, ob unsere Justiz diesmal mitspielen wird.«

»Da haben Sie recht«, sagte der Steueramtsrat nachdenklich. Bisher hatten sie es ja immer nur mit gewöhnlichen, wenn auch skrupellosen Dieben zu tun gehabt. Die hatten sich zwar strafbar gemacht, jedoch hatte selbst das Bundesverfassungsgericht angesichts der zu erwartenden Mehreinnahmen an Steuergeldern diese Tatsache im Sinne des Staates großzügig übersehen. Man liebte den Verrat und akzeptierte dafür den Verräter – fraglich war, ob das auch für einen Mörder galt.

Rolf unterbrach den kurzen Moment der Stille. »Ich bin der Meinung, dass wir als Behörde diese Daten nicht so einfach aufkaufen und verwerten können, wenn sie uns angeboten werden. Was meinen Sie, Wienke«?

Der Angesprochene rieb sich das Kinn. Dann sagte er: »Ich bin sicher: Kein Gericht dieser Welt würde einen solchen Handel absegnen. Aber vielleicht könnte ja in diesem Fall der Bundesnachrichtendienst als Käufer einspringen …« Der Steueramtsrat tippte sich an die Stirn. Rolf forderte ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung auf, fortzufahren. »Denn wenn der BND im Rahmen seiner Agententätigkeit Informationen erhält und diese dann auf dem offiziellen Dienstweg später preisgibt, könnten wir doch das Material im Grunde an die einzelnen Finanzämter und Steuerfahndungsstellen weiterleiten wie bisher.«

Um Hinrich Rolfs Mundwinkel zuckte ein Lächeln.

Wienke kratzte sich an der Nase und blickte einen Moment lang fasziniert an die Zimmerdecke. Dann legte sich ein Grinsen auf sein Gesicht. »Das wäre so, als würde die Polizei bei einer Leiche Beweise für die Steuerhinterziehung einer dritten Person finden. Die kann sie schließlich auch an die Steuerfahndung geben und verwerten lassen.«

Die beiden Beamten sahen sich an. Jedes weitere Wort war nun überflüssig. Fast hätten sie laut aufgelacht. Sie fühlten sich, als hätten sie soeben das Geschäft ihres Lebens abgeschlossen. Ja, sie waren wirklich so etwas wie die sprichwörtlichen Wölfe im Schafspelz. Man hätte Hinrich Rolf jetzt an seine Knieschmerzen erinnern müssen. Diesen Anruf aus der Schweiz empfand er als das passende Geschenk zu seinem Dienstjubiläum. »Gehen wir’s also an«, sagte er vergnügt, woraufhin Harald Wienke sich erhob.

Bis zum Mittagessen in der Kantine blieb den beiden Männern noch genügend Zeit, um alle notwendigen Vorbereitungen zu treffen; zunächst natürlich nur telefonisch, der Schriftverkehr konnte ruhig warten. Überhaupt musste jetzt alles sehr schnell gehen, der bedauerliche Zwischenfall in der Steueroase war schließlich schon sieben Tage her – und bisher waren solche sensiblen Kundendaten nach spätestens drei Tagen auf dem Markt gewesen.

Während Harald Wienke in seinem Zimmer eine Nummer des Bundesnachrichtendienstes in Pullach bei München wählte, informierte Hinrich Rolf den zuständigen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Es musste unverzüglich sichergestellt werden, dass alle Finanzbehörden über diesen Vorfall unterrichtet wurden, in jedem einzelnen Bundesland. Darüber hinaus musste den Finanzministern der Länder klargemacht werden, dass in diesem besonderen Fall jeder medienwirksame Alleingang höchst kontraproduktiv wäre. Denn der Nachrichtendienst, und zwar ausschließlich der BND, würde zunächst die Schlüsselrolle spielen, was Rolf zwar eigentlich nicht gutheißen durfte, doch andererseits ging es jetzt um ein Ergebnis.

Und sollte sich ihre naheliegende Vermutung als richtig erweisen, dass der Liechtensteiner Anwalt einem Datenraubmord zum Opfer gefallen war, würde es bestimmt erneut um Milliarden gehen, die dem Staat mit krimineller Energie entzogen worden waren. Denn der unscheinbare Dr. Egidius Ansbacher hatte sicherlich viele Hundert obskure Stiftungen betreut. Da spielte eine Informationsschleife mehr letztendlich keine Rolle.

Als die Arbeit getan war, lehnte Hinrich Rolf sich zufrieden in seinem Schreibtischstuhl zurück. Sie mussten jetzt nur noch darauf hoffen und warten, dass irgendjemand Kontakt mit ihnen aufnahm. Wahrscheinlich würde dies einmal mehr über einen jener widerlichen, penetranten Anwälte geschehen, zu denen Rolf selbstverständlich auch den unglücklichen Ansbacher zählte – mochte wenigstens Gott seiner Seele gnädig sein.

3

Die schneeweiße Villa aus der Gründerzeit direkt am Elbhang wurde von einem zwei Meter hohen schmiedeeisernen Zaun geschützt, in den ein elektrisch betriebenes Eingangstor eingelassen war. Meterhohe Rhododendren verdeckten den Blick auf das Anwesen, zu dem ein breiter Kiesweg führte. Er endete auf einem runden Vorplatz vor dem imposanten Hauseingang, der von zwei ionischen Säulen eingerahmt wurde.

Friedemann Hausner lenkte sein schwarzes Mercedes-Coupé mit Schrittgeschwindigkeit über die Auffahrt. Immer wenn er die Familie Koppersberg aufsuchte, fragte er sich, welchen Sinn es wohl hatte, Kies für eine Auffahrt zu verwenden, der spätestens nach dem dritten Auto wieder glatt geharkt werden musste. Und wenn er dann vor der Villa hielt und sein Blick auf die beiden stets geöffneten Doppelgaragen fiel, fragte er sich, warum ein betagter Mann wie Karl-Eduard Koppersberg neben einem Maybach noch immer drei Sportwagen besaß, wo er doch seit einem Schlaganfall halbseitig gelähmt im Rollstuhl saß.

Hausner konnte an diesem späten Freitagnachmittag allerdings nicht wie gewöhnlich vor dem Eingang parken. Nein, er musste sogar die Auffahrt wieder ein Stückchen zurückfahren, denn die Stellplätze vor der Villa waren alle belegt. Da hatte sein Anruf am Mittag offenbar einiges bewirkt. Der Anwalt hatte sich noch gar nicht ganz aus dem Wagen gequält, als auch schon die Eingangstür geöffnet wurde und der alte Wuttke sich übertrieben formvollendet vor ihm verneigte.

»Guten Abend, Herr Rechtsanwalt«, schallte es Hausner entgegen und er glaubte, einen beinahe unterwürfigen Tonfall vernehmen zu können, was er stets als schlechtes Zeichen zu deuten pflegte. Denn wenn Karl-Eduard Koppersberg seinem Faktotum einbläute, ihn auf diese Tour zu begrüßen, endete das darauffolgende Treffen zumeist erst nach mehreren Stunden.

Über fünfundzwanzig Jahre war Friedemann Hausner nun schon Berater der Familie Koppersberg, wenn es um besondere rechtliche oder steuerrechtliche Probleme ging. Diesen Mandanten, der noch altes Geld besaß, hatte er von seinem Vater übernommen, der von 1948 bis zu seinem Tod im Jahr 1988 am wirtschaftlichen Aufstieg jener Hamburger Pfeffersäcke beteiligt gewesen war.

Auch Hausner juniors Spezialgebiet bestand in der Kontaktpflege zu den internationalen Steueroasen, die sich über die ganze Welt verteilten. Inzwischen fühlte er sich manchmal schon wie ein Global Player, als Mitglied einer ganz besonderen Spezies von Wirtschaftsberatern, die ausschließlich ein einziges Interesse ihrer Mandanten im Auge hatte: möglichst wenig Steuern, gleich welcher Art, zahlen zu müssen.

Das Problem war nur, dass seine Auftraggeber in der Regel keine Skrupel hatten, dafür die Grenzen der Legalität nicht allzu genau zu nehmen, schlimmer noch, sie häufig sogar zu überschreiten. Deshalb musste der Berater unbedingt darauf achten, dass seine eigenen Finger sauber blieben, damit er sich im Ernstfall nicht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verantworten musste.

Ein paar Mal hatten Staatsanwälte es schon versucht, ihn an den Haken zu kriegen, waren mit Durchsuchungsbeschlüssen und Fahndern in sein Büro eingefallen wie eine Horde Mongolen, aber bisher hatten sie stets unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen. Hausner war stolz darauf, dass es noch keinem dieser Bluthunde gelungen war, ihm ein Verfahren anzuhängen. Wie auch?

Er klärte seine Mandanten ja bloß über die rechtlichen und steuerrechtlichen Gegebenheiten in den fremden Ländern auf. Hin und wieder half er natürlich auch bei der Gründung von Stiftungen, Holdinggesellschaften und ähnlichen Rechtsgebilden oder stellte für seine Mandanten den Kontakt zu einem ansässigen Kollegen her. Wenn dann seine Mandanten über ihre jeweiligen Steuerberater, die von all dem zumeist keinen Schimmer hatten, unvollständige Steuererklärungen abgaben, in denen sie ihre ausländischen Beteiligungen oder Einkünfte diskret verschwiegen, konnte man das schließlich nicht ihm anlasten.

Besonders unangenehm waren aber die Fälle, wenn einmal mehr eine Beziehung den Bach hinunterging: Zumeist waren es nämlich die Ehefrauen, die zu dem unappetitlichen Druckmittel der anonymen Steueranzeige griffen. Hausner hatte es eigentlich noch nie anders erlebt und vielleicht war das einer der Gründe, warum er nicht verheiratet war.

Daher war auf seinem Rechtsgebiet Diskretion das oberste Gebot. So hatte er seine Kanzlei in bester Hamburger Innenstadtlage auch ganz bewusst klein gehalten: aus Rücksicht auf seine gut betuchte, anspruchsvolle Klientel, die umhegt, umgarnt und gepudert werden wollte und alles andere als eine juristische Massenabfertigung verlangte.